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Der absolute Tiefpunkt der Reise oder “down under“

  • drehknoepfle
  • 10. Sept. 2020
  • 4 Min. Lesezeit


Eine meiner ersten Amtshandlungen in Te Tuiri bestand darin das Visitor-Center aufzusuchen und die Unterhaltung- Erlebnislage in der Region zu checken. Nicht zum ersten Mal erfuhr ich von den Glowworm-Caves von Waitomo, nur das ich sie nun in Radelausflugsentfernung hatte. Neben den normalen trockenen Besuchertouren gab es die Option zum Klettern in der Höhle oder halt Rafting. Rafting habe ich in meiner Kindheit schon mit viel Leidenschaft im heimischen Ort Rötenbach in dem gleichnamigen Gewässer betrieben. Und wo es an spektakulären Passagen mangelte, behalf ich mich mit meiner kindlichen Fantasie. Allerdings gab es den Ausdruck damals noch nicht und so habe ich es Bachwanderung genannt. Meine Intention dazu? Ich wollte zu den Wurzel bzw. der Quelle gelangen. Ist allerdings ein Abenteuer was noch aussteht. Also schnell eine Tour für den Samstagnachmittag gebucht, wobei unter normalen Bedingungen (in virusfreien Zeiten) diese Touren mehrmals täglich, die ganze Woche angeboten werden. In einer Art Camp wurde die Gruppe qualifiziert mit Neoprenanzügen, Gummistiefel und lampenbewehrten Helmen ausgestattet. Mit von der Partie auch Hanna eine junge Wooferin aus Deutschland, die sich beharrlich wehrte, in Muttersprache mit mir zu sprechen, von wegen der practice. Recht hat sie ja!




Zusätzlich ausgestattet mit einem Autoreifenschlauch ging es zum Crashtest für H²O-Allergiker und Warmduscher, an einen natürlichen offenen brrrr-temperierten Wasserlauf. Von der Plattform musste man sich, mit um die Hinterbacken festgebissenem Schwimmring, ca. einen halben Meter tief rücklings in den Auftriebskörper fallen lassen. Nach bestandener Prüfung und mit vollgelaufenem Aquanautenpelz, ging es 10 Meter dahinter wieder aus dem Wasser und zum Einstieg in das Höhlensystem. Alle diese unterirdischen natürlichen Hohlköper bestehen aus Kalkstein und sind über die Zeit durch Grundwasserströme ausgewaschen worden. Vollkommen unspektakulär liefen wir im Gänsemarsch in eine Senke, auf deren Grund vorher nicht erkennbar, sich seitlich ein Spalt öffnet und den Zugang zu dem unterirdischen Wasserweg freigibt. In den Zustieg und später auch in den Ausstieg hinein, ragten von oben wie Reißzähne die Stalaktiten.

Dem Wasserlauf folgend, bewegen wir uns durch diese natürlichen Tunnelanlagen.

Mal enger, mal weiter dann wieder niedriger oder höher verändert sich permanent der Querschnitt des Ganges.




Und so leuchten manchmal auf Armlänge und dann wieder acht oder 10 Meter weiter oben die Glowworms, die fluoreszierenden Mückenlarven. Das Wasser hatte in das weiche Kalkgestein wundersame Muster und Formen eingetragen, die nun im Schein unserer Helmlampen bernsteinfarben aufleuchten. Um die Glowworms am besten betrachten zu können, machte man einfacherweise seine Helmlampe aus. Weiter dem unterirdischen Bach folgend, gab es immer wieder Passagen, in denen man sich im Autoschlauch sitzend treiben ließ. Die beiden Guides vor und hinter der Gruppe waren höchst aufmerksam und freundlich darauf bedacht, dass keine Gummiente auf Abwege geraten bzw. Schaden nehmen konnte. Hanna die junge Führerin aus London war auch für die Fotoshootings zuständig. Allerdings war ihr Fokus mehr auf uns Gummitierchen als auf die prachtvollen unterirdischen Landschaften gerichtet.




Abgelenkt durch die vielen wirklich traumhaften Bilder und Eindrücke, kam auch kaum Gelegenheiten auf, wegen dem kalten Wasser im Anzug aufzubegehren. Neben den Auswaschungen im Kalkgestein sehr schön anzusehen, die karamellfarbenen Stalaktiten, die sich vom Sinterwasser aus dem Höhlendach bildeten. Wirklich phantastisch fand ich die serienmäßige Idee der Guides und die Rahmenbedingungen zur Höhlenpolonäse. Zunächst reihten wir uns an der Höhlenwand im Ring sitzend auf, dann schob man seine bestiefelten Füße unter die Achseln des Vordermann/frau und los ging die Reise mit ausgeschalteten Helmlampen. Wie mit den Themenbahnen im Europapark oder Phantasialand, wurde man vom Wasser durch den nachfolgenden Abschnitt getragen. Die Höhlendecke senkte sich bis einen Meter auf uns herab und erleuchtet wurde die Szenerie von Tausenden von Mückenlarven (Glowworms). So als ob man rücklings auf einem fliegenden Teppich liegend, das Gesicht dem von Sternen erleuchteten Nachthimmel zugewandt, durch die Lüfte getragen wird. Gnädiger Weise wurde dabei auf jegliche Form von Musik verzichtet. Mir fielen dazu wieder die Worte der Schöpfungsgeschichte aus dem ersten Gottesdienst nach dem Lockdown in Norsewood ein. Genesis 1 In the beginning God created the heavens and the earth. The earth was without form, and void; and darkness was on the face on the deep. And the spirit of God was hovering over the face of the water.

Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.

Nun war die Erde formlos und leer, die Finsternis war über der Oberfläche der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.

So mein Gefühl als wir vom Wasser, durch diese Stille und lichtlose Welt getragen wurden. Und konnte man schon nicht Gottes Geist auf den Wässern ruhen sehen, so doch stellvertretend das überirdische blaue Leuchten der Glowworms. Ein traumschöner Abschnitt der Höhle und viel zu kurz.




Für eine bessere Qualität der Bilder bzw. der Wiedergabe reichte die verwendete Kamera leider nicht aus. Und auch im weiteren Verlauf fehlten an den Wänden und Decken nicht die mit ihrem Leuchten, Beute anlockenden Mückenlarven.



Viel zu schnell gelangte, durch eine mit samtenen Grün ausgekleideten Öffnung, weichgezeichnetes Licht in unseren Reiseweg und markierte den Höhlenausgang. Wie in vielen Wälder Neuseelands, hätte ich mich noch Stunden in eine Ecke setzen können, um die wundersame Atmosphäre in mich aufzusaugen.









Nach dem Abschlussbild, waren wir nur wenige Minuten später wieder an dem Bus, der uns zurück zum Camp brachte. Nachdem man sich mühselig aus der Neoprenwurstpelle befreit hatte, winkte einem als Belohnung die heiße Dusche danach. In dem Café als ursprünglichen Treffpunkt, kam man noch auf ein Getränk und zum Anschauen der von Guides Hanna geschossenen Bilder zusammen. Auch dabei waren die beiden Guides aufgeschlossen und freundschaftlich unterwegs und machten sich erst mit den letzten Mitgliedern unserer unterirdischen Reisegruppe auf den Heimweg.



Mein treuer Rappe Rennstahl brachte mich wohlbehalten wieder zurück nach Te Kuiti und ins trockene Ställchen (Motel) für die Nacht. Noch Mal in Kurzform, der Spaß hat 150 NZD (83Euro) gekostet, etwa drei Stunden gedauert, ist weiß Gott nicht nur für Ledernacken und hat mir in der Gruppe mit den jungen Leuten ein ungemein intensives Naturerlebnis beschert. Zurück blieb in mir ein tiefes Gefühl der Freude an dem Erlebten und Dankbarkeit, gegenüber meinem Reiseleiter und seiner wundervollen Schöpfung.

 
 
 

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