top of page

An deinen Taschen wird man dich erkennen oder von Mangonui nach Houhora

  • drehknoepfle
  • 19. Okt. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Okt. 2020




Am frühen Morgen und noch im Bett, hörte ich ein trommelndes Geräusch. Ohrenscheinlich rührte es vom Regen auf das Blechdach von meinem Gartenhaus her. Dessen ungeachtet wie immer aufs Neue den logistischen Kraftakt bewältigt, meine sämtlichen Utensilien möglichst vollzählig in den zahlreichen Packtaschen zu verlasten. David mein Vermieter kam noch vorbei um sich bei mir zu verabschieden und er fände es nicht lästig, wenn ich eine ungeöffnete Bierdose im Kühlschrank zurück lassen würde.


In heftigen vertikalen Kurven ging es zunächst entlang der Küste und dann mehr ins Landesinnere. Im Vergleich zum Vortag hatte es abgekühlt und zwischendurch jagte auch mal ein Regenschauer übers Land. Das Beste am heutigen Tag war jedoch der wiederum böige Wind, den er kam von hinten. Wenn ich vor Eketahuna auf ebener Strecke im 2. Gang gegen den Wind unterwegs war, so fuhr ich jetzt in der größten Fahrbereichsstufe, der in sich geschlossenen 14-gängigen Rohloffschaltung. Weg von der Küste sah ich mich wieder umgeben von dem weitläufigen schon mehrfach beschriebenen Farmland. Die Auf- und Abschwünge wurden mit der Zeit moderater, und damit mir nicht langweilig wurde, dafür sorgte die Kiwirennfahrertruppe auf der SH10. Vermutlich haben gewisse Fahrzeuge dort wo man normalerweise die Bremse (zwischen Kupplung und Gas) vermutete, den Fußschalter für den Soundverstärker. Werde an das Parlament in Wellington dieser Tage einen Verbesserungsvorschlag, zur Entbürokratisierung schicken, nämlich Fahrlizenz und Lizenz zum Waffenerwerb (Lizenz zum Töten) zusammen zu legen. Zumal Kraftfahrzeuge wie Schusswaffen augenscheinlich in gleicher Art eingesetzt werden und manchmal von den Nutzern sogar gegen sich selbst gerichtet werden. Strengere Gesetze zum Erwerb der Fahrerlizenz würden sicherlich manchem das Leben retten, sind aber hier vermutlich genauso beliebt wie in Amerika gesetzliche Einschränkungen zur Handhabung von Waffen. Apropos Gesetze, muss noch eine Aussage von mir revidieren zum Thema Wahlen und Parteien sowie Wahlwerbung in NZ. Der Satz, “NZ First“ ist kein Wahlslogan sondern der Parteiname. Im Übrigen hat man hier das deutsche Wahlsystem eingeführt und 14 Tage Zeit zu wählen. So kann die zügige Fahrweise auch nicht damit begründet werden, weil die Wahllokale so zeitig schließen. Bei der Hetze der Fahrer musste ich an einen Auftritt (in meiner Zeit des Barden) denken, den ich in der Stadt des Drahtes nämlich Altena in Südwestfalen, vor Jahren hatte. Bei schönstem Wetter stand ich Sonntagsnachmittags, engagiert zu einem Straßenfest, auf der Flaniermeile von Altena und suchte mit meiner Kunst die Menschen zu unterhalten. Sobald sie meiner jedoch Ansichtig wurden, erhöhten sie ihr Spaziertempo um möglichst schnell an mir vorbei zu kommen. Vermutlich hätte ich mich nackend ausziehen können, mit drei laufenden Kettensägen jonglieren und dabei noch die Arie aus Zarewitsch, “Es steht ein Soldat am Wolgastrand“, singen und es wäre auch keiner stehen geblieben. Die Westfalen sind halt nicht so zugänglich! Ähnliches ist mir aber in Schwaben aber auch schon passiert! Schon vor 12 Uhr erreichte ich dank dem geleisteten (Wind)Vorschub mein Pausenziel Awanui, wo die SH10 zur von Süden kommenden SH1 aufschloss. Eigentlich war es mir noch zu früh für Mittag, da Bakery bzw. das Café so einladend aussah, gab ich mir selbst einen Ruck und parkte Rennstahl auf der Terrasse vor dem Gebäude. Gerade noch mit der Kanne Tee beschäftigt, kam ein junger Mann, also so in meinem Alter, in den Laden und steuerte zielstrebig auf mich zu. Seine Frage zunächst in Englisch, ob mir das Fahrrad draußen gehört und ich müsste doch sicherlich Deutscher sein. Beides bejahte ich wahrheitsgemäß und so sprachen Frank und ich in Muttersprache weiter. Frank ist aus Bonn und hier in Neuseeland mit einer Kiwidame verheiratet, jedoch auch schon viele Tausend Kilometer mit dem Rad in der Welt unterwegs gewesen. Als solches wusste er meine aktuelle Lebenssituation genau zu analysieren. Nachdem wir festgestellt hatten, dass wir uns auch beruflich hätten treffen können (er bei der Polizei und ich bei der Feuerwehr in Köln), wurde unser Austausch bzw. das Angebot an Gesprächsstoff schon fast immens. Er wollte jedoch noch zum Einkaufen nach Kaitaia und ich weiter zu meinem Farmstay hinter Pukenui.

So einigten wir uns darauf, dass ich ihn am Rückweg vom Cape Reinga auf dem Wagener Holiday Park, wo er seinen Wohnwagen stehen hat, besuchen komme. Mit dem Wind von Südost ging es weiter flott voran und so erreichte ich nach 15 Uhr, zur Magnumpause und zum Einkauf Pukenui und 20 Minuten später, die letzten Meter wieder über den allseits beliebten Gaewelroad meine Airbnb Farmstay.



Das neuseeländischen Pendant FourSquare zu unseren SparMärkten, hatte Mal wieder alles, was das Radlerherz begehrte. Hayley die Farmerin wies auch mir, wie ihren 11 Hunden, vielen Hühnern, Schweinen, Rindern, Pferden usw. des Hofes einen Platz zu und nach Dusche und Ruhepause erlebten wir einen beschaulichen Abend.



So habe ich mich in dem sehr schlichten Farmhaus und bei den Menschen auf dem Land unmittelbar wohler gefühlt als seinerzeit in Mangawhai Heads. Den landwirtschaftlichen Betrieb von Hayley würde man wohl nach deutschem Steuerrecht als Unternehmen ohne Gewinnstreben deklarieren. Neben der Mutter der Bäuerin wohnte in dem Haus auch noch Jonas, ein sympathischer Work- and Traveller aus Leipzig, den ich vor dem Lockdown schon auf einem Campingplatz kennengelernt hatte. Mit seinem Job bei einem Avocadopflanzer war für ihn der Farmstay mit eigenem Zimmer sowie Koch- und Waschmöglichkeit im Haus schon purer Luxus. Dafür ist natürlich seine Art zu reisen, mit dem Camper Van deutlich luxuriöser als meine mit Rad. Den nächsten Tag nutzte ich nach schon gewohnter Manier dafür mir die Region anzuschauen und zum späten Nachmittag kam ein Onkel von Hayley mit einem Karton Dosenbier an. Während ich “dosiert“ dem Inhalt des Karton zusprach, gab die Bäuerin ein Statesman für den Gebrauch von Marihuana ab. Sie hat als Krankenschwester mit Sterbenskranken gearbeitet und als solches viel Morphium verabreicht. So ist sie der Meinung, dass die Patienten durch die Morphingabe nicht nur der Schmerzen sondern auch ihres Bewusstseins und damit eines würdigen Sterbens beraubt werden. Als solches plädiert sie dafür, dass z. B. für solche Fälle die Biodroge Marihuana frei zugänglich gemacht wird.




Weil ich gegen später der Einzige im Vollbesitz der kraftfahrerischen Fähigkeiten war, hatte ich angeboten, die anderen wegen auftretender Hungergefühle zum Takeaway zu fahren. Dort gab es frisch frittierten Snapper dem ich nicht widerstehen konnte. Bei der Wartezeit im Auto noch der Versuch, den Beiden meine Wurzeln in Deutschland näher zu bringen. Also, I’m coming from southwest Germany Black Forest the area with the Cuckcoo-clocks! Kuckucksuhren kennt man auch in Neuseeland und die besonders gelungenen Modelle im Bild habe ich in Hamilton fotografiert.


Vermutlich Made in Taiwan, Korea, China oder woher auch immer. Was man scheinbar nicht wusste, dass es sich bei den mechanischen Vögel um die Nachbildung von real existierende Tieren handelt und das die Tonfolge deren Ruf wiedergibt. Per Internet konnte ich auch Bilder vom Kuckuck als auch von weiteren Uhren finden. Entsetzt war Haylay als große Tierfreundin, dass der Vogel sein Ei in fremde Nester legt, und später der heranwachsende Jungvogel, den natürlichen Nachwuchs seiner Adoptiveltern aus dem Nest befördert. So war auch dieser Abend in einem angenehmen Austausch und mit leckerem Fisch und Pommes (Fish and Chips) ausgeklungen.



 
 
 

Kommentare


© 2023 Robert Lehmann. Erstellt mit Wix.com.

  • facebook-square
  • Flickr Black Square
  • Twitter Square
  • Pinterest Black Square
bottom of page