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Ans Arbeiten gekommen oder Tage in Waikawa

  • drehknoepfle
  • 12. Juni 2020
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Juni 2020



Nach der ersten Nacht in meinem Frischluftfanatikersparadies frühstückte ich gemeinsam mit meinen Gastgebern. Leichtsinnigerweise hatte ich am Vorabend die Bemerkung fallen gelassen, dass ich auch eine "profession as a carpenter" (Schreinerausbildung) hätte. So schlug mir morgens Sonya, die sympathische Dame des Hauses mit Maoriwurzeln, einen Deal vor. In dem Flat (erdgeschossiges Hüttchen mit Flachdach neben dem Hauptgebäude) sollte eine alte Küche abgerissen und durch eine vermutlich genauso Alte ersetzt werden. Die Beiden wollten nächsten Tag nach Napier fahren und damit auch an Hastings vorbei, wo ein verspätetet eingetroffenes homöopathisches Medikament, bei Kerry für mich auf die Abholung wartete. Also willigte ich in das Geschäft mit freier Kost und Logis plus dem Abholdienst in Hastings ein.


Ross verfügte über ein riesiges Kontingent an meist ambulanten Maschinen und über eine regelrechte Schwämme an Akkuschraubern. Vermute, hinter dem Überangebot an Akkuschraubern steckt ein Suchtproblem. :-)

Meine erste und auch von mir vorgeschlagene Amtshandlung bestand darin die klemmende Haustür wieder leichtgängig zu machen. Erste Gedanke natürlich abhobeln, aber näherer Konsultation und nachdem die Türbänder oben und mittig etwas tiefer eingelassen waren, ließ sich das Bauelement wieder mit zwei Finger öffnen und schließen. Seiner einstudierten Choreografie folgend (die Tür beherzt mit der Schulter aufdrücken), ist der Hausherr danach mehrmals mit der Tür ins Haus gefallen. Zwischendurch, Vor- und Nachmittags, meldete sich Ross immer wieder, um auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Tee- oder Kaffeepausen für freischaffende Holzkünstler zu verweisen.



Vermutlich werde ich, geprüft durch die vielfachen Unzulänglichkeiten bei solch einem Einsatz, mich beim nächsten Küchenaufbau unter Normalbedingungen zu Tode langweilen. Zwischendurch bin ich mit den Beiden ins Nachbarstädtchen von Waipawa, nach dem ein wenig größeren Waipukurau gefahren. Sonya hatte einige Einkäufe zu erledigen und Ross fuhr mit mir zunächst zu einem Memorial Forest. Es ist ein mit vielen unterschiedlichen Bäumen bepflanztes Areal, was früher einem Fabrikanten gehörte und von ihm auch angelegt wurde. Es sind wohl auch vereinzelte Urnen beigesetzt, aber meist sind nur kleine Steintafeln über die Fläche verstreut, die der Erinnerung an einen Verstorbenen gewidmet sind. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, für den Angehörigen einen Baum zu pflanzen. Für den verstorbenen Mann von Sonya steht auf dem Grundstück eine Trauerweide, die in Anlehnung an seine frühere Tätigkeit (Schafscherer) mit allerhand Gerätschaften zur Schafschur liebevoll drapiert wurde. Und daneben auch ein Steintäfelchen mit seinem Namen.

Danach sind wir noch auf eine Kuppe gefahren, wo Ross mir noch die Ländereien von Nicks Bruder Paul zeigte. Er betreibt einen Biobetrieb mit Milchkühen und der Sohn in gleicher Manier Hühnerhaltung. Die Kühe werden mit ihrem Paddock (Weidezaun) täglich sukzessiv weitergezogen und ihnen auf dem Fuße folgen die Hühner, die in ambulanten Häusern bzw. Anhängern gehalten werden. Ross wusste auch noch von Nick Ashleys (dem Schweinebauer) Familie zu berichten, dass sie einmal im Jahr eine Fest machen und für alle 250 Familienangehörigen ein Festzelt mieten. Waipukurau ist wohl die erste und damit älteste von europäischen Siedlern angelegte Stadt in der Hawks Bay. Neben den zunächst englischen Siedlern mischten sich mit der Zeit auch viele aus Skandinavien. Mein Gast- und Arbeitgeber Ross ist so ein Mensch mit gleichzeitig Hundert Projekten im Kopf. Falls er die auch alle noch umsetzen will, muss er wohl Hundertfünfzig werden. Der Tochter Jennie hat er einen Teil seiner Ländchen geschenkt und nach dem Abschluss der Küchenmontage, habe wir sie dann auch bewaffnet mit Tee- und Kaffeetasse fußläufig besucht.


Die Jennie wohnt zeitweise in einem lichten Kiefernwäldchen ohne Strom aber mit Gas, in einem Zelt oder Wohnwagen und nächsten Sommer soll dort auch ein Haus aus Stein errichtet werden. An das Gelände an, grenzt ein großer See mit Schwärmen von Enten und den neuseeländischen schwarzen Schwänen. Ausführlich erklärte mir Ross, wo man hier ein Hobethaus mit Nordausrichtung (den ganzen Tag der Sonne zugewandt), an einem abfallenden Hang, errichten könnte. Angesichts dessen, dass ich ihn dieser großen Freiheit wegen schon beneidet habe, erzählte er mir noch von einer Gesetzesänderung. Bisher durfte man genehmigungsfrei ein Gebäude mit einer maximalen Grundfläche von 10 Quadratmeter errichten, diese Vorgabe ist auf 40 Quadratmeter erhöht worden. Verwandte von Sonya wohnen auch auf dem Land von Ross, ohne Strom aber mit Photovoltaikanlage, ohne Wasseranschluss aber mit Regenwassernutzung und ohne Abwasserleitung aber mit Komposttoilette und Verrieselung. Geht doch!

Brandschutztechnische Begehung



Zurück zu dem von mir momentan bewohnten sogenannten Wolllagerschuppen. Aufgrund der ausschließlichen Verwendung von Baumaterialien nach DIN 4102, in der Baustoffklasse A, und erschwerend ohne brandschutztechnische Ertüchtigung, sondern in offener Verarbeitungsweise, hielt ich eine Begehung meines temporär bewohnten Objektes für angeraten. Natürlich fallen einem selbst bei flüchtiger Betrachtungsweise, die bei der Errichtung verwendeten ausschließlich brennbaren Materialien ins Auge. Nach einer umfangreichen Begehung der Einrichtung, zum Beschlafen durch bis zu zwei Personen, bin ich zu nachfolgendem Ergebnis gekommen. Die vorhandenen Fenster können nicht den Rettungswegen zugeordnet werden, weil sie in ihren lichten Öffnungsmaßen nicht den gesetzlichen Vorgaben (90x120 cm) entsprechen. Die Eindeckung des Objektes kann als harte Bedachung gewertet werden, womit auch eine schnelle Brandübertragung zum Beispiel bei Flugfeuer (oder Vulkanausbrüchen) auf das Gebäudeinnere ausgeschlossen werden kann. Als positiv zu bewerten, sind die annähernd diametrale Anordnung der Rettungswege bzw. Notausgänge, was auch als Kompensation für ein Löschgerät (zur Bekämpfung eines Entstehungsbrandes) gewertet werden kann. Von einer zeitnahen und gesicherten Entfluchtung auch für altersbedingt eingeschränkte Menschen wie mich, darf in jedem Fall ausgegangen werden. Darüber hinaus kann in diesem begründeten Einzelfall (leichte Überschaubarkeit der baulichen Anlage und erdgeschossige Bauweise) auf die Errichtung einer Rettungswegkennzeichnung verzichtet werden. So kann ich die über Airbnb buchbare Beherbergungsstätte bei Waipawa, 45 Irelandroad auch aus brandschutztechnischer Sicht ausdrücklich empfehlen. Während ich auf der geschlossenen Winterterrasse der Gastgeber sitze und am Schreiben bin, hat sich die Dunkelheit über das Land gelegt und in der unmittelbaren Nachbarschaft hört man das Morepork rufen, eine kleine Eulenart die im Deutschen auch neuseeländischer Kuckuckskautz genannt wird. Noch im Hellen sind hier vor den großen Fensterscheiben neben den hauseigenen Enten und Gänsen die Pukeko vorbeidefiliert.



Fantail hat im Schuppen auch Mal nachgeschaut, ob ich auch am Schaffen bin. Ich liebe sie! Die Pukeko gehören zur Familie der Purpurhühner (sagt der schlaue Wiki) und sind annähert auch so groß wie Hühner mit längeren Beinen und einem leuchtend roten Kopfputz. Desnächten hört man wie auch in dieser Jahreszeit üblich das Röhren von der nachbarschaftlichen “Rothirschweide“. Den Pfingstsonntag hat Ross die ganze Familie und auch mich in sein Auto geladen, um die nächstgelegenen Strände anzufahren und uns zu zeigen. Der Topografie geschuldet, kann man in diesem Bereich den Küstensaum nicht abfahren, stattdessen gibt es immer wieder Stichstraßen, die zu den einzelnen Stränden führen. In der Sommerzeit natürlich sehr belebt, herrscht nun im Spätherbst beschauliche Ruhe. Teilweise gibt es angelegte kostenfreie Campingplätze mit Toilettenanlagen, oder es sind dauervermietete Anlagen in denen vereinzelt auch Leute überwintern. Für die Gemeinschaftanlagen (Dusche, Toiletten, Küche) bezahlt man ein gewissen Betrag, hat aber darüber hinaus keine weiteren Kosten. Für die exponiert gelegenen Ferienhäuser die vereinzelt in die zum Meer abfallenden Berghänge gebaut sind, bezahlt man ca. 1 Mio. NZD aufwärts. (sagt Ross) Das Besondere hat auch hier seinen Preis.


An der Pourerere Beach begannen meine Mitreisenden damit den Seetang am Strand zu sammeln und in die mitgebrachten Säcke zu stopfen. (Praktisch das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden) Auf meine Rückfrage hin, was damit zu tun ist, erklärte mir Jennie (Ross Tochter), dass man damit den Komposthaufen im Garten optimieren kann. Außerdem könnte man den Seaweed (Seetang) auch essen. Ja ich weiß, dass machen die Japaner auch und deshalb will ich auch keinem was wegessen.


Sonya meine Gastgeberin konnte bei dem Ausflug nicht dabei sein, weil sie in einem Wohnheim für ca. 700 Männer arbeitet. Die sind allesamt Allergiker, weshalb sie vor den Fenstern ihrer Zimmer grobmaschige Metallfilter haben. Auf keinen Fall dürfen die Bewohner freien Durchzug mitbekommen, weshalb Sonya bei ihrer Arbeit ständig darauf achten muss, dass die Türen zu sind und es nicht irgendwo zieht.

Für den Pfingstmontag hat der Wetterbericht üppige Regenfälle angemeldet, weshalb ich mir noch eine weitere Nacht in der Wollhütte gegönnt habe. Der Pfingstmontag ist hier kein christlicher Feiertag, aber trotzdem ein Feiertag weil der Geburtstag der Queen (der englischen) an diesem Tag traditionell nachgefeiert wird. Die Einrichtungen im Wohnhaus meiner Gastgeber mit nutzend, war die für Zeit meines Aufenthaltes immer für Unterhaltung gesorgt. Bei stürmischen Regenfällen entsteht kaum ein Bedürfnis, nach Ausflügen, so wollte ich die Unterseiten der Terrassenüberdachung, für die Ross schon Sperrholzplatten besorgt hatte, verkleiden. Da wirklich alles krumm und schief war, eine anspruchsvolle Beschäftigung. Zum Schluss, darauf legte Ross großen Wert, sollte ich auch noch auf einer Platte meine Unterschrift hinterlassen. Während des Aufenthaltes wurde für mich die deutsche Fahne in richtiger Farbabfolge gehisst. Da ich bei diesem Akt gerade nicht anwesend war, blieb mir auch der militärische Gruß erspart. Sonya hatte in der Stadt extra für mich Earl Grey-Tee besorgt und des Überflusses nicht genug brachten die Beiden vom Einkauf auch ein original German Rye Bread (Deutsches Roggenbrot), in der schon bekannten neuseeländischen Qualität mit.


Beim letzteren Arbeitseinsatz habe ich mir durch eine ungeschickte Bewegung den Rücken verrissen. Konnte ich über den Nachmittag noch mit Schmerzen arbeiten, war ich abends nach einer Zeit des stillsitzenden Schreibens fast nicht mehr in der Lage, mein Nachquartier über den Hof zu erreichen. Nach der Abschmierung meines Rückens durch Sonya mit einer durchblutungsfördernden Salbe und bewaffnet mit unterschiedlichen Tabletten begab ich mich dann zur Nachtruhe in die Wollstube.


 
 
 

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