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ANZAC Day oder Bauerhofwanderung

  • drehknoepfle
  • 27. Apr. 2020
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Mai 2020


Heute am 25.04.2020, zum ANZAC Day (Akronym für Australian and Newzealand Army Corps) dem nationalen Gedenktag in Neuseeland, Australien und Tonga, bin ich nun seit genau einem Monat in Gisborne “verhaftet“.

An diesem Tag finden in den v. g. Ländern halbtätige Paraden und Gedenkveranstaltungen statt, für die Soldaten dieser Länder, die im 1. und 2. Weltkrieg als Kriegsfreiwillige gefallen sind. Die Premierministerin Frau Ardern, hat sich wie viele Neuseeländer heute Morgen mit Blumen an die Straße gestellt und der toten neuseeländischen Soldaten gedacht.



Die Menschen schmücken dieser Tradition folgend Zufahrten zu Häusern oder Hauseingänge mit weißen und roten Blumen. Heute Morgen brummte vermutlich auch deshalb ein Militärflugzeug im Tiefflug über die Stadt hinweg. Wer mehr über den Kriegseinsatz der Kiwis lesen mag, kann das z. B. in Wikipedia, Stichwort die Schlacht von Gallipoli tun. In früheren Artikel hatte ich schon über die Gedenkstätten bzw. Gedenktafeln in Kirchen von den gefallenen Maoris geschrieben. Es gibt in diesem Zusammenhang auch noch Bilder von Maorieinheiten, die mit Uniform und in Reih und Glied ihren Haka (den traditionellen Kriegstanz mit Drohgebärden wie Augen verdrehen und Zunge rausstrecken) tanzen. Unabhängig von diesem Treiben und des nun schon einmonatigen Exils hatte ich in einem Prospekt den “Te Kuri Farm Walkway“ gefunden. Mal eben 20 Minuten mit dem Rad von meiner Unterkunft dem Blau-Grün (Teal) Motel weg. Statt des vorhergesagten Sonne-Wolken-Wetters gab es nur pralle Sonne und so hab ich schnell zwei Brote geschmiert (natürlich mit dem selbstgebackenen Maronenbrot sowie an diesem patriotischen Tag, mit neuseeländischem Schinken und Gurkenscheiben) sowie weiterer leckerer Accessoires. Am Startpunkt befand sich ein Parkplatz, an den sich ein Zaun mit Zugangspforte auf das Gelände der Landwirtschaft anschloss.



Zum Thema Zäune sind mir gerade noch ein paar Gedanken gekommen. Seltsamerweise sieht man gerade in weitläufigen Ländern die meisten Zäune. Unser Nachbarland Frankreich führt den Begriff Freiheit in seinem Wahlspruch und doch habe ich noch nie so viel Zäune, kilometerlange Mauern und Tore gesehen wie auf der Radtour von Burscheid zu meinem Cousin an der Loire und weiter am Fluss entlang. Vermutlich ist damit die Freiheit gemeint sich hinter Zäunen und Mauern selbst aussperren zu dürfen. Um Weidevieh daran zu hindern sich außerhalb der eigenen Ländereien zu verlustieren sehe ich vollkommen ein. Wenn aber weitläufige Ackerflächen, Brachflächen, Waldflächen eingezäunt sind, so erschließt sich darin für mich kein Sinn. Im weitgehend zaunfreien Schwarzwald aufgewachsen, kann ich mich an den Anblick immer noch schwerlich gewöhnen. Ist vermutlich eine historisch zu begründende vernünftige Tradition, wie der kurzgeschorene (gleich der Auslegeware für den Balkon) Rasen selbst im Grundstücksverlauf entlang der Straßen. Letztere Tradition so behaupte ich jetzt mal ganz ketzerisch, hat vermutlich erst mit der Erfindung des Aufsitzrasenmähers so richtig Fahrt aufgenommen. Die Regelmäßigkeit und Priorität, mit der dieser Tätigkeit in Neuseeland nachgegangen wird, erinnert mich irgendwie an Stuhlgang. (Ja ich weiß was Ihr denkt aber mir ist gerade kein besserer Vergleich eingefallen) Muss halt einfach sein, damit der Mensch sich wohlfühlt. Die Menschen achten schon sehr aufeinander und so kann ich es mir gut vorstellen, dass man schon Mal an der Türe klingeln geht, weil der Nachbarn heute noch nicht beim Rasenmähen gesehen wurde. Oder vielleicht auch die besorgte Anfrage per Telefon, du warst heute mit Deinem Rasenmäher noch gar nicht draußen, soll ich einen Arzt rufen. Aber nun zurück zu dem Farm Walkway (klingt direkt doch viel cooler als Bauerhofwanderung) und nein es gab keine Public Toilet aber dafür der Hinweis, dass man Privatgelände betritt und Tiere, bauliche Anlagen usw. in Ruhe lassen soll. Ähnlich einer Wanderung in den Alpen, aus dem Tal in die Almenlandschaft des Hochgebirges, so ging es über Weideflächen und auf dem kürzesten Weg den Hügelspitzen entgegen. Wäre auch bei weniger warmen Wetter (für mich Scheindurchtrainierten) eine schweißtreibende Angelegenheit. Da wundert einem auch nicht, dass ein Neuseeländer Imker (Sir Edmund Hillary) zu den beiden Erstbesteigern des Mount Everest gehörte. Vermutlich ist er als Vorbereitung für den Aufstieg, zu Hause jeden Tag 10mal die Berge hoch- und wieder runtergelaufen, natürlich mit fünf Bienenkästen auf jeder Seite am langen Arm. Aber klingelt es bei Euch nicht auch im Kopf?

Oder wie die Rheinischen sagen würden, do kannste doch dran föhle (da kann man doch dran fühlen).

Neuseeländer und Imker, das kann ja gar nicht anders gewesen sein, als dass der Edmund und sein Kumpel Tenzing aus dem Volk der Sherpas gedopt waren. Vermutlich hatten sich die beiden, vor ihrer Erstbesteigung am 29.05.53, mit Unmengen hochgradig methyglyoxalgepuschtem Manukahonig abgefüllt.



Als Weidevieh waren standesgemäß oder den topographischen Bedingungen angepasst, ausschließlich Ziegen und Rinder anzutreffen. Von den Letzteren beeindruckten bzw. ängstigten mich teilweise deren Hinterlassenschaften vom Durchmesser eines Kinderschwimmringes. Über die Standardgrößen von Kuhfladen weiß ich trefflich zu referieren, zumal ich unter anderem mit zwei Rindviechern (in Nebenerwerbslandwirtschaft) aufgewachsen bin. Nicht selten, dass man beim Spielen mit den nackten Füssen schon Mal drin gelandet ist. Und natürlich denkt Ihr jetzt wieder über mich, von dem Kerl bekommt man immer nur Sch….. zu lesen. Einmal auf der Höhe angekommen folgte der Wanderweg (weniger anstrengend) meist den Wirtschaftwegen über die Bergkuppen. Die weitläufigen offenen Hügelspitzen ließen viel Freiraum für immer wieder neue Ausblicke auf das Meer, die Küstenlinie, die Stadt und auch auf das Hinterland.


Und dann entdeckte ich in einem Wäldchen die Verursacher der monströsen Fladen. Dort tummelten sich mehrere Longhornrinder, die nicht nur mit den legendären gewaltigen Hörnern, sondern auch einer gewaltigen Körpermasse beeindruckten. Scheinbar sind sie sich ihrer Urgewalt nicht bewusst, denn nachdem ich mich ihnen nur wenig näherte, machten sie sich von der Bildfläche.



Ob das nun an meinem Knoblauchkonsum lag, womöglich muss ich mir einen Stylingberater/in nehmen, damit nicht mehr alle Reißaus nehmen sobald sie mich sehen. Und wenn sich das so weiterentwickelt, womöglich vorher auch noch zum Seelenklempner wegen meinem zerknitterten Selbstbewusstsein. Einfach nicht schön, immer wieder so negative Vieh-Mails zu bekommen. Und dass obwohl ich schon vor vielen Jahren meine Kariere als eiskalter Killer (Panzergrenadier) bei der Bundeswehr beendet habe und auch die Zeit als freier Wildpretschütz, schon lange hinter mir liegt.

Zu den Longhornrinder fällt mir noch eine Geschichte ein, die zu der Situation irgendwie passt. Habe sie in einem Hörbuch von Pablo Coelho erfahren, dass ich vor einiger Zeit von Uli und Marita geschenkt bekommen habe. In Indien hindern ihre Führer riesige Arbeitselefanten daran wegzulaufen, indem sie an einem Ast festgebunden werden. In ihrer Kindheit werden sie an einen dicken Baum gebunden und lernen, dass es keinen Sinn macht am Strick zu ziehen. Diese Erfahrung prägt sich so stark ein, dass die Tiere die einen Baum ausreißen könnten, sich an einem Zweiglein anbinden lassen. So denke ich ernsthaft darüber nach, welche Erfahrungen aus meiner Kindheit mich in dieser Weise binden können. In perfekter Kombination von Hungergefühl und schönem Einkehrplatz erreicht ich den höchsten Punkt meiner Wanderung mit Bänkle, Tisch und traumschöner Aussicht. Vielleicht eine halbe Stunde habe ich mich, dem Suppenkoma Rechnung tragend, in die Horizontale begeben, da wurde ich von scheppernden Geräuschen aufgeschreckt. In meinem Rücken kreuzten zwei Zaunanalgen, die ich als Herkunft der Geräusche ausmachen konnte. Dann sah ich auch die Störenfriede, es war eine Herde Ziegen, die sich eine um die andere durch die horizontalgespannten Drähte des Zaunes quetschten und dabei das Geräusch verursachten. Wie wir Menschen lieben auch sie weitläufige Ausblicke, was damit einhergeht, dass diese Punkte oft und unerfreulicherweise für die Wanderer zum Lagern nicht nutzbar, unter einem Meer von Ziegenköttel ertrinken.


Zum zweiten Bild, unten im Hafen werden schon wieder ganze Wälder in einem Schiffbauch versenkt. Wenn man den Blick (erstes Bild) von der Höhe entlang der Küste in Richtung Süden schweifen lässt, sieht man als letzte Festlandspitze die Peninsula (Halbinsel) Te Mahia. Gestern Abend beim Sundown hatte mir die Lorain (ältere Dame, die ich am Strand getroffen hab) davon erzählt und das es dort nett ist. Könnte vielleicht bald eines meiner nächsten Ziele werden, sofern ich wieder reisen darf. Nach dem augenscheinlichen Höhenflug über die Region gings nun genauso flott wieder über die Bergweiden runter. So wie auf den Höhenzügen von Manukabüschen und Tanukabäumen flankiert, tauchte der Weg in flottem Schwung und ohne viele Serpentinen in einen lichten Bestand aus Tanukabäumen ab. Begleitet immer von den ungewöhnlich exotisch anmutenden Stimmen der heimischen Vogelwelt, von denen man aber fast nur die neugierigen Fantails zu Gesicht bekam. Ich liebe sie!


Der Vogel auf dem letzten Bild ist ein Kingfischer, den man hier auch öfters sieht. Bei genauem Hinschauen, ist er fast baugleich mit unseren Eisvögeln, die sich an der Wupper tummeln. Die Bäume und Büsche auf den ersten Bildern sind meist Tanuka's oder Manuka's. Und weil es doch gerade so ein besonders schöner Tag war, wollte ich auch noch mit Rennstahl im fliegenden Galopp zu meiner Hafenundstrandlieblingsecke, um den Sundown mitzubekommen.



War aber zu spät, so dass ich nur noch das Leuchten am Himmel mitbekommen habe. Nur der Holzdampfer, der schon von oben nicht zu übersehen war, wurde gerade noch gefüttert. Man kann halt nicht alles haben. Zu dem Spruch fällt mir kurz vor Schluss noch eine Episode von der Feuer- und Rettungswache 1, meiner ersten Dienststelle ein. Ein Kollege hatte mehrere Wochen Urlaub vor sich und wollte mit einem geliehenen Wohnmobil nach dem ehemaligen Jugoslawien fahren. Das Gefährt (ein grüner VW-Bus) war ziemlich runtergekommen, weshalb er viel Zeit und Geld im Vorfeld für die Reinigung und Instandsetzung des Fahrzeuges investierte. Darüber hinaus ließ er sich im Kollegenkreis mit Kartenmaterial, Ausflugs- und sonstige Reisetipps zu dem Land versorgen. Dann war seine Urlaubszeit tatsächlich angebrochen und der Kollege für ca. eine Woche von der Bildfläche (wie die Longhornrinder) verschwunden. Um dann mit einem neuen gebrauchten grünen Mercedes “Trallala S“? zum Autowaschen wieder auf der Wache zu erscheinen.


Natürlisch gehörte ich auch zu denen, die das schicke Fahrzeug umringten. Und jetzt kommts! Auf meine Frage hin, dass er doch hätte in den Urlaub fahren wollen, kam dann die Antwort janz flück un drüsch zoröck, (ganz schnell und trocken zurück) ma kann doch nit alles han. Vermutlich sind andere Männer in der Vergangenheit schon wegen geringerer Delikte von ihren Frauen gesteinigt worden.

 
 
 

1 Kommentar


Roswitha Simon
Roswitha Simon
08. Mai 2020

Hallo Christoph! Hoffe, ich hab's richtig gemacht und mein Komentar u a zu deinem Holzweg-Komentar erreicht dich.

Seid du in Neuseeland bist, verfolge ich deine Komentare, worin ich am Anfang die Schwierigkeit des Verstehens hatte, wie das eine oder andere in deinen Berichten gemeint war ( zb Niagara Fälle... und ich: hi, Kanada, dass kann doch nicht sein).

Bis ich deinen Witz im deinen Komentare verstand...! Und ich finde deine Berichte echt toll und beneide deine vielen Erfahrungen/Begegnungen, die du mit deinem "Rennstall" in der Ferne Neuseelands erlebst- ganz besonders, wie du dir ja vorstellen kannst, über den Maoris!

So wie ich aus deinem letzten Komentar entnehmen könnte, bist du nach fünf Wochen "Exil" wieder unterwegs (Holiday Park). Dann sind…


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