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Auf zur letzten Etappe in Nordrichtung zum Cape Reinga

  • drehknoepfle
  • 19. Okt. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Okt. 2020




Christliche und Symbole der Maori in trautem Miteinander auf einem Cemetery (Friedhof) bei Ngataki

Sehr herzlich habe ich mich wieder von der Hayley und ihrer Mama und dem tierfreundlichen Haus verabschiedet. Von Jonas dem sympathischen Work-and-Traveller aus Leipzig hatte ich mich schon am Vorabend verabschiedet, der musste heute Morgen um sechs schon los um Avocados zu ernten. Das Pflücken wäre schon was anstrengend so meint er, aber dazwischen sind auch Tage wo man z. B. Bestandspflege betreibt. Das würde sich in etwa Anlassen wie beim neuseeländischen Straßenbau, einer macht was und neun anderen stehen drum herum und schauen zu. So seine Beurteilung! Für den letzten Abschnitt nach Norden hatte mich Frau Google mit 65 km Strecke und über 600 Höhenmetern bedroht. Außerdem sollte die ganze Veranstaltung 4 Stunden dauern.

Natürlich habe ich das Ganze mit dem Wetterbericht bzw. Windbericht abgeglichen. Mäßiger Wind von Nordost bis Ost, was so viel hieß wie volle Dröhnung von rechts und von vorne.



Wieder gings durch weitläufiges Farmland und zunächst in moderaten Auf- und Abschwüngen. Danach wurden die Hügellandschaften wieder höher und waren überzogen mit Tanuka- oder Manukabüschen bzw. Bäumen. Selbst die Kiwikraftfahrer zeigten sich heute meist von ihrer besten Seite.



Irgendwann tat sich die letzte Gelegenheit auf, ein Eis zu essen vor dem Cape, zumindest hatte mein Gastgeber Neal in Kerikeri dieses bekundet. Und so schleifte mich Rennstahl schon vormittags auf den Parkplatz vor der Diary in Ngataki. Eine ältere Dame mit Maoriwurzeln formte mir Ausgehungerten (vermutlich muss ich so auf sie gewirkt haben) zwei riesengroße Eiskugeln. Hier im Norden liegt der Anteil der Bevölkerung von Menschen mit polynesischen Wurzeln bei 90%. Damit wird von offizieller Seite auch die höhere Kriminalitätsrate bzw. ein vermehrter Drogenmissbrauch erklärt.



An Wasserläufen ist auch immer leicht erkennbar, wie hoch sie durch die Tide aufgestaut werden. Die beiden Opossums am Straßenrand waren aufgrund fehlender Zeichen äußerer Gewalteinwirkung wohl eher in Fallen gefangen worden. Meine Beobachtung von toten Opossums am Straßenrand, es ist noch ein langer Weg NZ opossumfrei zu bekommen.


Das Bild hat mich an das "Streckelegen" nach der Treibjagd erinnert. Zu jeder Tierart wird ein spezielles Hornsignal geblasen. Vermutlich muss für die Opossums erst noch ein eigenes Hornsignal komponiert werden. Ich weiß nicht mehr wer, aber es waren mehrere Kiwis die mir erklärten, dass es oben im Norden flach wird. Zum einen waren die wohl noch nicht im Norden gewesen und zum anderen ganz sicherlich nicht mit dem Rad. Je mehr ich mir meinem Ziel näherte, desto steiler wurden die Steigungsstrecken, so dass ich letztlich wieder zum Äußersten greifen musste und zur Schiebetechnik überging.



Windumtost fast meine gesamte Wegstrecke und meist von der Seite oder von vorn. Von der Seite half nur heftiges Gegenlenken, um nicht im Graben zu laden und von vorne kleine Gänge fahren oder Schieben. Selbst das Pipimachen wurde dabei zu einer unberechenbaren Angelegenheit. In der Autowerbung wird schon mal von Fahrspaß gesprochen! Mit dem war es irgendwann vorbei und über blieb Quälerei. Letztlich wurden aus den angekündigten 4 Stunden über sechs Stunden und die mit nur geringen Pausenzeiten. Beim regelmäßigen Blick in die navigatorischen News von Frau Googlina Earth hatte ich vielmehr das Gefühl, dass mein Ziel das Cape vor mir her rennt aber nicht wirklich näher kommt. Hinter jeder steilen Kuppe folgte nach einer kurzen scharfen Abfahrt eine noch höhere. In meiner kindlichen Naivität hatte ich mir das Cape immer als Sandhügel mit Leuchtturm am Meer vorgestellt, vermutlich war es aber eher der geheime Wunsch eines überladenen Radfahrers. Am Cape angekommen, der erste Blick natürlich auf die obligatorischen gepflegten Toilettenanlagen und zu meiner Überraschung einem Trinkwasserspender. Ich hatte nämlich klar, dass ich für die Übernachtung und den nächsten Tag kein zusätzliches Wasser mitnehmen wollte. Vom Parkplatz für ein rollstuhlgerechter Weg in Serpentinen zum Leuchtturm, dem Aussichtspunkt am Cape. Augenscheinlich war gerade vor mir eine indische Reisegruppe angekommen und so gab es wildes Geschrei, unendliche Fotosessionen und Trubel. Gerade so als ob die von Indien zum Cape Reinga geradelt wären. Vermutlich ist das Verhalten von Reisegruppen nicht immer nur der Mentalität geschuldet, sondern dem rudelmäßigen Auftreten einer Personengruppe.



Also setzte ich mich in den Windschatten vom Leuchtturm (auf dem Platz selbst wurde man vom Wind fast umgeworfen) und holte meine Mittagspause nach. Zum (Sonntag) Nachmittag hin trafen noch viele Kiwis ein, aber deutlich ruhiger und entspannter unterwegs als die erste Gruppe. Möchte nicht wissen was da oben los ist, wenn “normale (virenfreie)“ touristische Bedingungen vorherrschen. Nach Maoriglauben ist der Ort besonders zu schützen (heilig), weil nach deren Verständnis sich von dort die Seelen der Verstorbenen auf ihre Reise in die geistige Welt machen. Für mein Gefühl in jedem Fall ein wunderbarer Ort, um wie ein Fallschirmflieger über den Abhang Fahrt aufzunehmen und sich dann durch Wind und Thermik getragen dem Himmel zuzuwenden Aber zurück zu meinem Sehnsuchtsort (war schließlich schon seit Ende Juli von Wellington hierhin unterwegs) in den hohen Norden. Hier trifft sich bekanntermaßen der Pazifik und die Tasmansee als Teil des Pazifiks. Wenn ich von hohem Norden rede so bedeutets, dass diese Region von NZ dem Äquator am Nächsten ist. Ein bisschen näher noch ist das Nordcape gelegen, aber dorthin führt keine Straße. Insgeheim hatte ich auf eine schönen Sonnenuntergang gehofft, leider versackte die Sonne zum Nachmittag mehr und mehr in einer dunkelgrauen Filzdecke, so dass an einen goldenen Sundown nicht mehr zu denken war. Für die Übernachtung hatte ich ursprünglich geplant, einer der südlicher gelegenen freien Campingplätz anzusteuern, aber aufgrund der guten Bedingungen vor Ort, hatte ich mir für die Nacht einen Schlafplatz vor den Toilettenblock gebucht. Ein Trinkwasserspender, zehn Urinale und acht Toiletten (die Damenabteilung nicht mitgerechnet) für mich allein, was für ein Luxus!



In einer Ecke konnte ich windgeschützt den Benzinkocher betreiben und so war schnell für heißes Wasser zum Tee und Outdoor-Nahrung machen gesorgt. Und aufgrund der gediegenen großzügigen Überdachung, konnte ich mir auch das Aufbauen des Zeltes sparen. Der Wind wurde auch in der Nacht und am folgenden Tag nicht weniger und so war ich schon frühzeitig wach, um mich für Frühstück und Rückreise zu präparieren. Sich direkt morgens ohne Aufwärmtraining an die Steigungsstrecken zu geben, ist so gar nicht mein Ding (Tagesleistungskurve) und als solches hatte ich wieder viel mit Schiebereien zu tun. Zum späteren Nachmittagszeit erreichte ich die Diary vom Vortag. So gönnte ich mir eine Pie, die neuseeländische Spezialität, kleine pikante Kuchen ähnlich unserem Blätterteig gefüllt in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Die nachfolgende Zeit versucht der Wind auch nicht mehr mich aus der Fahrbahn zu hebeln, sondern blies mir komfortable in den Rücken.


Interessant auch immer wieder das Weidevieh neben der Straße, neben Rinder, Schafen, Truthähnen auch Emus.





Wie ich dann in Pukenui einlief, wartete meine Bekanntschaft von der Hinfahrt (Frank aus Bonn verheiratet mit einer Kiwidame und Teilzeitneuseeländer) schon auf mich. Gemeinsam fuhren wir zum Holiday Park wo er Wohnwagen und auch Boot zum Angeln stehen katte. Am Platz vorbei, geht zweimal täglich der Gezeitenstrom vom Pazifik in eine kilometerlange Bucht. Wenn nicht gerade Stillstand zwischen den Gezeiten ist, gleich die Strömung in beide Richtungen einem Fluss. Ein Eldorado für Angler und ein wunderbarer Ort die Seele baumeln zu lassen.

 
 
 

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