top of page

Aus dem hohen Norden zum Titisee oder von Houhora nach Taupo

  • drehknoepfle
  • 25. Okt. 2020
  • 5 Min. Lesezeit



Heute spielten die All Blacks (Rugbynationalmannschaft von Kiwiland) gegen die Wallabys (die australische Nationalmannschaft). Ein Grund für den sportbegeisterten Frank nach Auckland zum Spiel zu fahren und weil ich zügig in dieselbe Richtung wollte, durfte ich samt “Handgepäck“ mitreisen. Meine australischen, bzw. tasmanischen Airbnb Host in Taupo (so erfuhr ich später) haben sich das Spiel gemeinsam mit ihren Kiwifreunden im TV angeschaut. Was vermuten lässt, dass die Konkurrenz zwischen den beiden Staaten nur rein sportlich ausgetragen wird. Denke, dass man Neuseeland schnell auf der Erdkugel übersieht und so freuen sich die Kiwis immer diebisch, wenn sie gegen den ungleich größeren Kontinent und Staat Australien punkten können.


Schon vier Uhr morgens gestartet, war es unumgänglich für uns beide, ohne Stopp an der Hundertwassertoilette in Kawakawa vorbeizufahren. Damit meine ich nicht, dass man in der Toilette bis zu Hundert Mal Wasser lassen kann, ohne bis zu den Knöcheln im Feuchtwarmen zu stehen, sondern dass sie von dem Architekten Hundertwasser geschaffen wurde. Meine Meinung zu der vollkommen unkonventionellen Gestaltung der Anlage, wirklich herzallerliebst! Vielleicht nicht ausreichend Grund um deshalb nach NZ zu reisen, aber in jedem Fall zum Anhalten und sich an den Früchten dieses kreativen Geistes zu erfreuen. Die Bedürfnisanstalt (jetzt bin ich schon wieder bei dem Sch….thema gelandet) wurde eigens von dem berühmten Architekten (hat hier seit 1973 gelebt und ist auch hier gestorben) erdacht und gestiftet.



Jetzt aber wieder zurück zu den Realitäten des neuseeländischen Straßenlebens. Man rechnet für die neuseeländischen Straßen eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 60 km/h. So sind die 370 km von Houhora nach Auckland schon eine kleine Weltreise. Wenn man einen Kiwi fragt, wie weit ist es von A nach B, bekommt man regelmäßig eine Zeitangabe und keine Entfernungsangabe als Antwort. Zumindest nach Tagesanbruch, bildeten weite schöne Ausblicke in die Landschaft die lebendige Kulisse für unseren Reiseweg. Vor Wochen habe ich für Anfang November einen Kurs in Picton auf der Südinsel gebucht, aber bei meinem bisherigen Reisetempo ist da nicht zeitnah hinzukommen. So gibt es in Kiwiland die Intercity-Buse, die ich für meine Weitereise bemühen wollte. Die Problemzone dabei, mein sonst sehr hilfreiches Fortbewegungsmittel und wackerer Gefährte. Prinzipiell durfte man auch laut Internet für die geplante Busreise kein Rad mitnehmen. Rennstahl musste generell dafür teildemontiert werden und trotzdem war es dann nicht gesichert, ob ihm im Laderaum ein Platz zugestanden würde.


Der Chauffeur zeigte Angesichts meines Gepäckhaufen wenig Begeisterung, aber letztlich durfte ich dann doch samt Gepäck und Weggefährten mitreisen. Beim Verladen hing der etwas beleibte Fahrer auf den Knien im Laderaum und so fand ich seinen Missmut durchaus nachvollziehbar. Normalerweise waren beim Fahrer 10 NZD für das Rad zu entrichteten, aber weil er selbst die nicht haben wollte, sah ich mich wiederum genötigt, ihm meine ausdrückliche Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Vermutlich denkt jetzt der eine oder andere, da hat der Kerl sich aber schön faul durchgetan. Rechtfertigen müssen wir uns irgendwann vor unserem Schöpfer und auch nur um unser selbst Willen; weil er uns sowieso durch und durch kennt. Da ich IHN ganz bewusst als erklärten Reiseführer in meinem Leben genommen habe, bin ich der Überzeugung, dass ER mir auch diese schweißfreien Etappen zugesteht. Wenn ich gefragt werde, weiß ich nie zu sagen wieviel Kilometer (Höhenmeter) ich schon geradelt bin, zumal mich doch nur die Entfernung der vor mir liegenden Tagesetappe interessieren. So geht es mir dabei wie im richtigen Leben, wo auch nur das spannend und interessant ist, was noch vor uns liegt.



Einmal im Bus, ging es wieder durch die malerischen weideviehgepunkteten Modelleisenbahnlandschaften, mit dem kleinen Unterschied, ohne Körpereinsatz und im Obergeschoss des Reisegefährts, durch die Region gefühlt schwebend. Unterwegs waren auf den Hinweisschildern Ortsnamen zu lesen, zu ich auf meiner Fahrt nach Norden auch schon gelesen oder wo ich durchgeradelt war. Mit einzelnen Zwischenstopps kam ich in Taupo an und meine erste Tätigkeit, aus den Fragmenten meines treuen Weg- und Reisegefährten wieder ein funktionsfähiges Fortbewegungsmittel zu basteln. Meine neue Airbnb Gastfamilie zu erreichen ging dann deutlich schneller als die Fahrradmontage. Nach der Zeit als Teilselbstversorger auf dem Campingplatz wurde ich von Nella meiner Gastgeberin wunderbar umsorgt. Und so wie der Titisee im Herzen des Hochschwarzwaldes liegt, so ist es der Lake Taupo im Zentrum der Nordinsel auf 356 m Meereshöhe. Die Höhenlage bewirkt, dass viele Frühjahrsblüher die in niederen Lagen oder nördlicher schon durch sind, sich hier noch so ganz in der Magie des “Frühlingsmonat Oktober“ austoben können. Also wiederholt Gelegenheit die Blütenpracht unterschiedlichster Baum- Busch- und Blumenarten zu genießen.



Das Bänkle in Nachbars Garten mit Höhenangabe der nächstgelegenen Berge. Den darauffolgenden verregnete Tag nutzte ich dann für meine “Hausaufgaben“, nicht aber ohne die Spielpausen mit der Katzenteenagerin Cleo auszulassen. Abends luden mich meine Gastgeber noch zu einer kleinen Rundfahrt ein. Zum einem besuchten wir eines dieser schweflig dampfenden Stellen, wo die Maoris Löcher graben, um darin auf traditionelle Weise Essen für Feste zu garen. Vorbereitetes Gemüse und Fleisch wird durch die hohen Temperaturen in der Erde gegart und das Ganze nennt sich Hangi. (Wird in Rotorua auch als Touristenraktion angeboten) Ein eindrucksvolles Erlebnis sind die Huka-Falls, durch die das Wasser des Lake Taupo in den Waikato-River abfließt. Wenn auch die Fallhöhe mit 11 m relativ gering ist, so punktet die Klamm durch die gewaltigen Wassermassen die sich dort hindurchzwängen.



Als auch der nächste Tag zugehangen und verregnet war, fühlt ich mich dann doch genötigt, zumindest ein wenig die Region zu erkunden. So konnte ich ein paar Unterscheidungsmerkmale zum See im Schwarzwald ausmachen, er ist max. 46 km lang, 33 km breit, 183 m tief und hat einen Umfang von 193 km. Wiederum wie der alemannische Pedant umringt von schönen Landschaften und Bergen. Dann aber wieder typisch für die Region klare Zuläufe, in denen man sein Frühstücksei kochen konnte. So ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sich hier ein Geothermalkraftwerk zur Stromerzeugung befindet. (Der Arbeitsplatz von meinem Gastgeber Graeme.) Ansonsten werden hier die klassische wilden Aktivitäten (Bungee-Jumping, Wildwassertrallala, usw.) angeboten auf die meist die reisende Jugend dieser Welt abfährt. Will jetzt nicht die Hand ins Feuer dafür legen, dass mich diese Veranstaltungen “vor Jahren“ auch angesprochen hätten. Für den Abend hatten mich Nella und Graeme zum Abendessen eingeladen und so war es mir ein Selbstverständliches, für den nächsten Abend das Dinner auszurichten. Einen Tag weiter war es dann trocken und die Wolken hatten sich über die Berge gehoben, so dass man nun auch das weitläufige Umland und die Ausmaße des Lake Taupo in Augenschein nehmen konnte.




Die Schwäne sind ausnahmsweise Mal nicht in einen Ölteppich auf dem Lake Taupo geraten. Surface=Oberfläche. Am Seeufer eiferte ich mit einem anderen Herrn um die Wette, einzelne Sonnenfenster in den Wolken für schöne Bilder zu nutzen. Robert so hieß er erzählte mir, dass er in der Stadt Arbeit hätte. Auf meine Nachfrage erklärte er, dass er Oboe spielt und mit dem neuseeländischen Symphonieorchester aus Wellington für ein Konzert angereist war. Interessant auch von den Orten rund um die ganze Welt zu hören an denen er schon Konzerte gegeben hatte. Musik ist halt eine wundersame welt- (Menschen) verbindende Sprache. Und wie heißt es gleich so schön auf gut kölsch, do simmer dobe-i (da sind wir dabei)! Geboten wurde abends herrliche klassische Musik von Hayden, Beethoven und Mozart. Noch gut vor der Zeit, war eine Besprechung der Musikstücke durch den Konzertmeister des Orchesters. Es wurden immer wieder kurze Sequenzen eingespielt oder vom Konzertmeister live gespielt und erklärt. Weil ich als aus dem gleichen Land wie die v. g. berühmten Herrn kommend geoutete wurde, sollte ich den Namen der Symphoniereihe von Hayden “Sturm und Drang“ für die anderen Zuhörer wiederholt richtig auszusprechen. Irgendwie hatte ich Mühe, für die Kiwis die drei einfachen Worte slangfrei auszusprechen und wir alle richtig Spässgen (Freude) miteinander. Insgeheim (ich gebe es ja zu) hatte es mir auch ein kleinwenig Genugtuung verschafft, dass die Kiwis mit der Aussprache meiner Muttersprache genauso ihre Probleme haben wie umgekehrt. Im Anschluss erlebte ich in dem zierlichen Konzerthaus einen gelungenen Abend mit einem zweistündigen symphonischen Musikprogramm.



Der Conductor (Dirigent) Hamish McKeich ist auch ein echter Sohn dieses Landes! Einen Ausklang fand ich bei meinen Gastgebern im Hause und mit einem Glas Wein. Die hübsche Cleo nutzte diese fast letzte Gelegenheit, um sich rücklings mit einer unbeschreiblichen Choreographie auf meinen Oberschenkeln zu fläzen und den Bauch kraulen zu lassen.


 
 
 

Kommentare


© 2023 Robert Lehmann. Erstellt mit Wix.com.

  • facebook-square
  • Flickr Black Square
  • Twitter Square
  • Pinterest Black Square
bottom of page