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Die Reise zum Mittelpunkt der Erde oder Cave-Junkie

  • drehknoepfle
  • 14. Sept. 2020
  • 7 Min. Lesezeit


Wie die Überschrift hieß ein Spielfilm von 1959 nach dem Roman von Jules Verne. Zwar kamen in diesem Film die unterirdischen Welten ziemlich künstlich und steril daher, doch blitzten einzelne Bilder, Gefühle beim Besuch der Lost World wieder auf. Die Bilder unserer Guides sind ziemlich personenlastig, womit ich das häufige Vorkommen meiner Erscheinung auf den eingefügten Bildern entschuldigen möchte. Aber erstmal von vorne, den eigentlich hatte ich das Thema Höhlen schon in Te Kuiti mit der Blackwater Rafting Tour abgeschlossen. Doch kam mir als ich ganz entspannt in meinem Airbnb Gartenhäuschen saß, der Hinweis auf die Lost World (Verlorene Welt) in Augenhöhe. Sieben Stunden in vollgelaufenen Gummboots durch die neuseeländischen Unterwelt laufen, zeigt mir einen kleinen Jungen, der sich einer solcher Offerte widersetzen kann. Meinem Bauchgefühl folgend bin ich nicht die 15 km zu dem Startpunkt geradelt, statt dessen hatte mich Nick der Chef persönlich in Otorohanga abgeholt. Nach einem kurzen Zwischenstopp am ersten Ausgangspunkt in Waitomo mit Café, ging es als Gruppe mit sechs Leuten und zwei Guides weiter.


Durch herrliche neuseeländische Modelleisenbahnlandschaften (aber ohne Railway) ging es zu einer komfortablen Hütte mit Toilettenanlagen, Duschen und natürlich der erforderlichen Ausrüstung. Mitzubringen war Badebekleidung und warme Socken. Wieder gab es einen gepflegten Neoprenanzug mit Protektoren an Knien und Po, weiße Gummistiefel, Schutzhelm mit Lampe und diesmal zusätzlich ein Klettergeschirr mit zwei Sicherungsleinen und Karabinerhaken. Nach der Einkleidung wurde unsere Ausrüstung durch beide Guides unabhängig einer zweifachen Sichtkontrolle unterzogen. (Mir macht das einfach Spaß Professionalität, Funktionalität und Pragmatismus in den Abläufen zu erfahren) Die beiden Guides strahlten in gewinnender Weise Kompetenz und Ruhe aus, so als ob sie schon höhlennächtelang mit Gollum (das Höhlenwesen das aussieht wie ein Kollege von mir) aus Herr der Ringe, um die Wette gerätselt hätten, wer nun wen fressen darf. Joel den jüngeren von den Beiden, konnte ich mir als Papa von zwei Töchtern, auch gut als Schwiegersohn vorstellen. Scott der etwas ältere, so mit der prädikativen Ausstattung, "zum Pferdestehlen". Ähnlich einem Klettersteig bekamen wir zunächst eine Trockenübung im Umstecken der Sicherungsleinen des Klettersteigsets. Danach ging es schon zu einer professionell angelegten Plattform über dem Abgrund. Das Eingangsportal oder Foyer zu der Höhle Lost World ist von den Ausmaßen so groß, dass man eine Kirche hineinstellen könnte. Der Grund der Höhle 100 m tiefer als die Plattform.


Eben standen wir noch vor dem Abgrund, jetzt sind wir einen Schritt weiter! Wie Spinnfäden zogen sich dünne schwarze Seile von der Plattform auf den Grund des Portals. Und wie die Hühner wurden wir auf eine Stange über den Abgrund gesetzt, sowie die Seilbremsen mit den v. g. Seilen verbunden. Über einen Bypass war man auch noch an einem zweiten Seil angeleint und gesichert. Als alle startklar waren ging es in einem äußerst gemütlichen Tempo in die Tiefe. Dadurch das man die Felsenwände seitlich als optischen Fixpunkt hat, wirkt die Höhe deutlich undramatischer als es sich im weiteren Raum anfühlen würde. Da mein Sitzgurt eher suboptimal die Gliedmaßen belastete, war ich allerdings eher an einem zügigen Ankommen als an weitschweifenden Ausblicken interessiert. Die meisten Höhlen liegen auf privaten Farmland und durch den darüber entstandenen Tourismus, haben die betroffenen Farmer nun eine zusätzliche Einnahmequelle. In früheren Zeiten verschwanden schon Mal unachtsame Schafe oder Kühe in den Höhlen, darüber hinaus wurde auch der Müll oder ein alter Traktor in die Löcher entsorgt. Am Höhlengrund angekommen, wurde zunächst die Verpflegung ausgepackt und es gab einen Lunch bestehen aus Sandwich, Heißgetränk und Nachtisch. In der Tourenbeschreibung wurde die Nahrungsaufnahme als dringende Notwendigkeit für den bevorstehenden Weg eingestuft.

Äußerst angenehm, wie großzügig die beiden Guides im Verlauf der gesamten Wanderung den einzelnen Stationen, Situationen Zeitfenster zumaßen. Zunächst galt es einen ansteigenden Hang zu überwinden, hinter dem sich der unterirdische Bach zwischen riesigen Felsblöcken wandte. Dabei wurde das blaue Fenster über uns zusehends kleiner, bis sich die Lichtlosigkeit komplett über uns ausgebreitet hatte.


Langsam ging es nun aus der riesigen Eingangshalle der Höhle in das natürliche Tunnelsystem. Da wo es steil oder abschüssig war, befanden sich Haltesstricke oder man sicherte sich an einer Laufleine. Ziemlich schnell kam man an die ersten Stellen wo die wärmenden Socken in den Stiefeln ihrer Funktion enthoben wurden, weil man durch potiefes Wasser watete. So fand man sich erneut im permanenten Wechsel der Tunnelquerschnitte, der Wassertiefe, Fließgeschwindigkeiten, Farben und Konturen der Oberflächen wieder. Oft befand sich die Höhlendecke 30-50 m über einem und dazwischen auch wieder Passagen wo man sich gegen die Strömung um enge Felsen plagte. Zwischendurch auch Abschnitte wo es im tiefen Wasser für die bestiefelten Füße nichts zu tun gab und man sich seitlich an Felsen halten oder abstützend gegen den Strom hangelte. Sintergesteinsformation wechselten mit Konglomeratfelsen, Kalkstein in dem man vor Millionen Jahren lebende Fossilien erkennen konnte. Unter anderem zentimeterdicke einzelne Austermuschelschalen teilweise noch mit einer erkennbaren Perle oder der versteinerte Knochen von einem Wal. Wundervoll authentisch von der Natur im Höhlensystem aufbereitete und Millionen Jahre alte Exponate. In einer früheren Tour hat wohl ein Gast nachgefragt, wie der Wal den in die Höhle gekommen sei. Vermutlich beim Austernmuscheln sammeln auf Abwege geraten!


In der Situation (siehe Bild rechts) hätte ich mir dann doch mehr Intimität gewünscht.

Bei meinen letzten höhlenkundlichen Ausführungen (Blackwater-Rafting) habe ich anfänglich auf die von der Decke hängenden Stalagmiten verwiesen, war Mal wieder knapp daneben. Von versierter weiblicher Seite habe nun erfahren, das sind die Stalaktiten. Da mir jeglicher naturwissenschaftlicher Hintergrund fehlt, kann man das auch schnell Mal verwechseln. Ich hoffe das sich zum Ende meiner Reise die beiden Begriffe genauso verwechslungsfrei eingeschliffen haben wie auch Arktis und Antarktis. Wie bei meiner ersten Höhlenwanderung bzw. Rafting Tour habe ich auch hier wieder die Griffigkeit der Untergründe als sehr angenehm wahrgenommen. Um sicherzustellen, dass wirklich auch jeder Zentimeter Körperoberfläche der zahlenden Gäste nass wird, hatten sich unsere Guides noch eine besondere Geschichte ausgedacht. Aus dem Bachbett kletterte man über eine Sinterterrasse in einer Art Looping zu einem engen Loch und zurück über den Bach. Mit ausgeschalteter Helmlampe und angezählt, schlüpfte man durch eine Röhre und ließ sich in das darunterliegende Bachbett fallen. Das gab dann dem monotonen Dauerrauschen des Wasserlaufes, durch die verzückten Ausrufe beim Aufklatschen und Abtauchen ins kühle Nass, ein paar neue Klangnuancen. Danach auch wieder minutenlanges stilles Verharren mit ausgeschaltetem Licht und Blick zur Decke zu den schon wohlbekannten Glowworms. Wie Sternengalaxien bestehend aus unzählbar vielen Planeten reihten sich diese Spezies aus dem Reich der Insekten unter der Höhlendecke. Milchstraßen von einzelnen bläulich leuchteten Individuen, die den Gesteinsformationen über uns folgten. Rückenliegend auf einem Felsenplateau, konnte ich nicht anders als zur blauleuchtenden Kuppel über uns ein Gebet zu schicken. Ein Dankgebet an DEN gerichtete der alles geschaffen hat und für dieses wundervolle Erlebnis, was mir dank SEINER Führung zuteil wurde.

Neben dem Looping mit Höhlentaufe hatten unsere beiden Vortänzer (die haben natürliche sämtliche Einlagen vorgemacht) noch ein weiteres Spezial in ihrem Programm. Ein Felsblock von den Ausmaßen wie 10 Wohnzimmerschrankwände querte den Grund der Höhle und ohne zu zögern schlüpfte Scott schon drunter her. Hochqualifiziert durch meine Bundeswehrzeit als Panzergrenadier und durch die jährlichen Atemschutzübungen bei der Feuerwehr, glitt ich als Dritter geschmeidig durch den kaum mehr als helmhohen Spalt. Noch nicht auf der anderen Seite angekommen, nötigte einem Scott mit vorgehaltener Kamera ein verkniffenes Lächeln ab. Aber einmal drüben war dann erkennbar, man hätte auch klettern können.


Zwischendurch passierten wir Höhlenkathedralen, in denen man gut ein klassisches Konzert mit 300 Besuchern, hätte ausrichten können. Weiter ging es wieder durch Klammen, Wasserfälle, festverlegte Leiteranlagen bis dann die sonst in wilden Tanzsaalschlachten gefürchtete Parole Polonäse, ausgegeben wurde. Das uns entgegensprudelnde Wasser war nur wadentief und relativ ebenmäßig der Untergrund, so dass wir einigermaßen geordnet und in wohlbekannter Formation (Hände auf die Schultern von der Vorderfrau/mann), bei ausgeschalteten Helmlampen unserem Führer folgen konnten. Dabei wieder den Blick zur Kuppel über uns und den überirdisch leuchtenden Teppich aus Glowworm-Sternen gerichtet. So hätte man noch Stunden weiterlaufen können, wenn nicht irgendwann fahles Tageslicht den Ausgang der Höhle markierte. Die steilaufragende Wand mit dem Tor zur Unterwelt ließen wir schnell hinter uns und folgten nun durch wildwüchsige Natur dem weiteren Verlauf des Wassers.




Auch am Weg, passierten wir ein funktionsfähiges modernes Wasserrad wozu uns der Guide erklärte, dass damit Brauchwasser aus dem Bach zu oberhalb liegenden Wohngebäuden gepumpt wird. Würde mich nicht wundern, wenn sich das Patent irgendwelche Leute aus meiner alten Heimat dem Black Forest (in den Badischen Highlands) ausgedacht haben. Über traumschöne Weidelandschaften, unterbrochen von eingestreuten Felsformationen und Schafen ging es dann wieder zurück zu unserem Basislager. Wie die jungen Lämmer vollführt gerade hier im Bereich der Höhlen, die Topographie ausgelassene Bocksprünge und hüpfte kreuz und quer. Scott einer unserer beiden multitaskingfähigen Guides, war uns schon vorausgeeilt und erwartete uns nach der heißen Dusche mit Tomatensuppe und einem leckeren BBQ. Da Körper (zum Bewegen und den Wärmehaushalt aufrecht zu erhalten) und Geist (sich an der herrlichen Natur zu erfreuen) über Stunden rege beschäftigt waren, hatte sich trotz oder gerade wegen der vielen geistigen Genüsse ein willkommenes Hungergefühl eingestellt. Mit von der Partie waren auch ein sympathische Kiwipaar Namens David und Inge von der Coromandel-Halbinsel im Nordosten der Nordinsel. In einem interessanten Smalltalk bei An- und Abfahrt erfuhr ich, dass er Bee-Keeper, also Imker ist. In seinem Vollerwerbsfarmbetrieb hat er letztes Jahr 90 Tonnen Honig geerntet. Eigentlich wäre er noch ein kleiner Betrieb, es gäbe auch welche die 200- 300 Tonnen im Jahr “erzeugen“. Da war dann auch die Rede von mehreren tausend Völkern die zum Sammeln dieses hochwertigen Nahrungsmittel ins Rennen geschickt werden. Auf meine kritische Rückfrage hat er mir bekundet, dass sie den Honig sortenrein (z. B. Manuka) verkaufen und das Verschneiden oder Duplizieren bei den internationalen Händlern stattfindet.

Nach dem Dinner, die beiden Guides haben dazwischen unsere Klamotten schon wieder gewaschen und für die nächste Führung vorbereitet, ging es wieder durch die wunderschöne Landschaft zurück zum Treffpunkt.



Nick der Chef brachte mich bei einbrechender Dunkelheit in mein Domizil und freundlicherweise durfte ich die geschossenen Bilder von unseren beiden Führern, direkt von den Karten aufs Laptop laden. Was für ein wundervoller Tag.

 
 
 

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