Die Tage auf der Pigfarm in Tutira mit Nick
- drehknoepfle
- 25. Mai 2020
- 7 Min. Lesezeit
Schon abends hat der Regen kräftig auf das Dach von Nicks Farmhaus getrommelt. Wenn man in einem eingeschossigen Gebäude wohnt, lebt man eigentlich direkt unter dem Dach, weil nicht noch extra eine abgehangene Decke eingezogen wird. So nimmt man auch schon sehr unmittelbar an den Einflüssen der Natur teil. Nicks Kommentar zum Wetter, ich liebe den Regen. Da geht es ihm wohl nicht anders als den Landwirten in Deutschland oder sonst wo in der Welt, ohne den Regen geht nichts. Die Nacht über hat sich der Regen zu Nicks Freude fortgesetzt und den Morgen nach dem anstrengenden Vortag ließ ich sehr gemütlich angehen. In der Küche suchte ich mir mein Frühstück zusammen und beschäftigte mich mit meinen Hausaufgaben (Notizen zusammenführen, Bilder sortierten, usw.)
Nick hatte mit seinem Frühstück auf mich gewartet und so konnten wir uns gegenseitig Gesellschaft leisten. Nachdem ich ihm erzählte, dass ich fünf Wochen im Lockdown in Gisborne festgesessen habe, kam direkt von ihm, da hättest Du doch besser zu mir kommen können. Wäre billiger gewesen und wir hätten viel Spaß miteinander bekommen. Sicherlich für uns Beide eine schweinegute Zeit. Apropos Schweine, Nick bot noch an wenn ich Mal eine Wildsau oder einen Hirsch schießen wollte, sollte ich es ihn wissen lassen. Sein Cousin sei Hunter (Jäger) und mit dem könnte ich das gut machen. Einen kurzen Moment war ich zögerlich und habe überlegt, ob ich mit einem Hirschgeweih am Fahrradhelm die Holztrucker etwas einschüchtern könnte. Vermutlich nehmen die mich dann erst recht aufs Korn.
Wenn man das Anwesen beschreiben sollte würde ich sagen, sehr rustikal alles. Mein Freund der Armin hätte seine helle Freude an den vielen alten Sachen, die sich im und um das Haus stapeln. Und damit meine ich jetzt noch nicht mal den Kühlschrank mit dem Zapfhahn auf der Veranda. Vermutlich hätte er sich die ältesten Gummistiefel von Nick ausgeborgt und wäre in aller Frühe schon Schweine, Rinder und Hühner füttern gegangen.
Abends hatte Nick noch von den siebziger Jahren erzählt und wie er mit einem Seitenwagenmotorad in England und Frankreich große Rennen bestritten hat. Einen riesige Tafel mit unzähligen Bildern in seinem Partieraum kündete von dieser Zeit. In dem Zusammenhang fiel auch der Name Rolf Steinhauer. Wie ihr kennt Rolf Steinhausen aus Nümbrecht nicht, den zweimaligen Weltmeister im Seitenwagenmotoradfahren. Also ich auch nicht! Vielleicht erkläre ich Euch ja erstmal ein Motorrad mit Seitenwagen für den Rennsport. Das Gefährt hat ungefähr das Profil von einem Spiegelei und während der Fahrer auf der Maschine liegt, macht der Copilot daneben gewichtsverlagernde Gymnastik, um damit zu verhindern, dass Beide mit dem Fahrzeug aus der Kurve fliegen.
Jetzt bin ich Mal nicht so der Fan von Motoradsport was aber nicht verhindern konnte das der Nick und ich uns sehr schnell angenähert haben. Beim Frühstück kam in mir ein wenig der Ernährungswissenschaftler durch und Nick hatte meine Ergänzungen für seine morgendlichen Flakes sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen. Besonders wichtig für alte Männer wie wir, die Pumpkinseeds (Kürbiskerne) im Müsli. Aber geriebenen Apfel und Nüsse fand er auch gut. Eigentlich ist es ganz einfach Nicks wohlwollen zu bekommen, aufmerksam beobachten was zu tun ist und wo möglich sich einbringen, ohne dabei schulmeisterlich zu wirken. Das hat auch nichts mit Einschleinem sondern mit Begegnung auf Augenhöhe zu tun. Und dafür muss man noch nicht einmal der englischen Sprache mächtig sein. Nachmittags kam noch ein Bruder von Nick vorbei mit Namen Grant, der in der Nachbarschaft einen Bauernhof mit Milchkühen bewirtschaftet. So wie eigentlich die meisten von Nicks Brüdern und Schwestern in der Landwirtschaft in der Nähe tätig sind. Grant heißt so wie der gleichnamige Whiskey den die schottischen Vorfahren der Familie immer noch in ihrer angestammten Heimat brennen. Er ist genauso gebaut wie sein Bruder Nick und genauso Freundlichkeit und Verbindlichkeit ausstrahlend. Irgendwann neben dem Paddock mit den jugendlichen Schweinen stehend, fragte er mich was ich von Nicks Schweinerei halten würde. Wahrheitsgemäß und vielleicht ein bisschen diplomatisch entgegnete ich, dass es Nicks Schweinen um ein Vielfaches besser ginge als den Tieren in deutschen Schweinehaftanstalten. (Habe ich mich im letzten Satz wieder verschrieben?) Grant brauchte eine Treppe für seinen Schafshelter (überdachter Platz oder Scheune) in dem die Schafe geschert werden. Was bei dem reichhaltigen, über das Anwesen von Nick verteilten Fundus auch gar kein Problem war. Da er Hilfe zum Abladen brauchte, bin ich zu seinem Schafshelter mitgefahren. Auf der Fahrt bekam ich eine Kurzeinweisung über die gesamte Familie Ashton. Welcher Bruder wieviel hundert Schafe in der Stunde schert, wo die Schwestern wohnen, wieviel tausend Liter Milch der andere Bruder mit 50 Kühen erwirtschaftet, dass der Neffe Motocrossmeister von Neuseeland ist und das der Nick eigentlich das schwarze Schaf der Familie ist. Vielleicht war genau das der Grund, dass wir so schnell einen Draht zueinander hatten und uns so gut verstanden.
Nachmittags kam Nick gefahren und hatte jeweils auf seinem Pickup und dem Anhänger einen Zweitonnensack Dünger. So wie sich Zu- als auch Anhängerfahrzeug unter der Last deformierten, waren sie wohl beide nicht dafür ausgelegt. Im Vorfeld hatte mich Nick schon gefragt, ob ich beim Düngerscheppen helfen könnte, ich kann. Der Toni ein gut aufgelegter Nachbar von Nick schwang sich auf das Honda Hofquad um mit dem zuvor gefüllten Düngerstreueranhänger wie die wilde Jagd über die Hügel und Hänge von Nicks Farm zu fliegen. Als zum späten Nachmittag wieder Regen einsetzte, wurde die Tätigkeit eingestellt, zu gefährlich mit dem Quad auf dem nassen Gras umzukippen.
Der Traktor hatte mit dem Sack an der Schaufel etwas Mühe die Hinterachse auf den Boden zu bekommen. Wie schon bei meiner Ankunft zu erfahren, wohnte in einem kleinen Häuschen nebenan der Onkel von Nick mit Namen Ian Grant. Er hielt noch in seinem hohen Alter 15 Schafe, denen die Weideflächen unmittelbar am Hof zur Verfügung standen. Am Sonntag sah ich ihn, wie er auf drei Beinen (mit Stock) mühselig eine neue Weide und die Zäune für seine Schafe inspizierte. Es hat mich angerührt, mit welch liebevoller Fürsorglichkeit er dieser Aufgabe nachkam. Noch am Abend kam Kerry die Partnerin von Nick auf den Hof gefahren, um hier das Wochenende zu verbringen. Sie wohnt in Hastings und arbeitet in der Stadt in Napier, die beide etwa 45 Minuten vom Hof entfernt sind. Abends gab es dann einen sehr leckeren Nudelauflauf, den Kerry zubereitet hatte.
Spätestens jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo ich von Nick die Einladung bekam auf dem Hof zu bleiben solange ich wollte und ich bräuchte auch nichts dafür bezahlen. Es hat mich schon sehr berührt, so viel Wertschätzung von Nick zu erfahren, zumal nach so kurzer Zeit und in seiner verbindlichen Art.
Zum Sonntag hatte ich mich angeboten einen Apfelkuchen zu backen und so hatte ich den Samstag noch einen Hefeteig in der schon bekannten Manier zusammengenudelt. Bei den Ausflugs- und Besichtigungsmöglichkeiten mal ganz von der Attraktion des Bauerhofes abgesehen, könnte man sich hier getrost, für drei Wochen einbuchen. Ein Besichtigungsziel war das drei Kilometer vom Hof entfernte Kiwireservat, welches sich um den lieblichen Opouahi See schmiegte. Das mehrere Hektar große Areal ist von einem feinmaschigen überkletterungssicheren Zaun umgeben, der Opossums, Marder, Iltisse, Ratten, usw. davon abhalten soll, sich von den Symbolvögeln der Neuseeländer zu ernähren. Da es wohl nicht zielführend für die Erhaltung der Art ist, den nachaktiven flugunfähigen Vögeln mit der Taschenlampe im Dunkeln nachzustellen, habe ich mir ihr Reservat im Hellen und ohne Sichtung der v. g. angeschaut. Neben der wunderbaren Fauna und Flora, in Verbindung mit dem verträumt gelegenen See, hat mich das Zugangsportal in das Areal beeindruckt.
Es besteht selbst bei dem gedankenlosesten Besucher des Geländes keine Change, dass sich über die vermeintlich nicht richtig geschlossene Tür, Vertreter der v. g. Raubtiergruppen Zugang verschaffen könnten. Kurz und bündig, schöne Natur, schöne gepflegte Wege, Toilettenanlage im Grünen und eine ansprechende Kennzeichnung der Wege.
Als ich Nachmittags wieder am Hof eintraf, war ich alleine und hatte Muße aus dem Wohnzimmerfenster den Schafen und aus dem Küchenfenster den Schweinchen mit ihrer Muttersau zuzuschauen. Letztere spielten herzallerliebst um eine alte Erntemaschine auf der Weide herum Nachlaufen und Verstecken. Leider hatte ich dabei meine Hände in der Teigschüssel, weshalb ich die Szene nicht fotografisch der Nachwelt erhalten konnte. Der Gasbackofen in Nicks Küche war von der Art, dass man damit gelegentlich auch sein Haus in die Luft sprengen könnte. Es erforderte jegliches Improvisationstalent unter den Bedingungen, mit Backblechen die nicht in den Ofen passten, einen genießbaren Kuchen zu entwickeln. Schön später zu beobachten, mit welcher Begeisterung sich Nick nach dem Abendessen über den frischen Kuchen hergemacht hat. Nicht aber ohne vorher noch seinem Onkel ein großes Stück vorbei zu bringen. Zu den Mahlzeiten haben wir auch immer ein Tischgebet gesprochen. Jetzt weiß ich nicht, ob er diese Tradition auch für sich alleine pflegt, in jedem Fall hat er es in unserer Gemeinschaft, sehr wohlwollend mitgetragen. Nachmittags kam eben auf ein Bier, der wilde Hofquadfahrer Toni vorbei. Dann auch noch der Bierbrauer, ein Freund der Familie, der sich für den korrekten Füllungsgrad des Fasses, im Kühlschrank auf der Veranda, verantwortlich fühlt. Zuletzt dann auch nochmal Nicks Bruder Grant und von allen zusammen mit einem herzlichen und kräftigen Handschlag begrüßt. Für den kommenden Freitag wurde auch schon wieder der Partieraum hergerichtet. Nach Covid 19 kann wieder eine Gesellschaftsjagd, in dem Fall auf Enten stattfinden. Ein Nachbar will das zum Anlass nehmen, bei der Gelegenheit seinen Geburtstag zu feiern. Laut Nicks Aussage kommen da schnell so 50 Leute aus der Nachbarschaft zusammen.
Abends schenkte mir Nick noch ein T-Shirt von einer Konzertveranstaltung in Tutira und seine Partnerin lud mich dazu ein, in ihrem Haus in Hastings zu wohnen. Erfüllt von den Erlebnissen des Tages und den Begegnungen hatte ich eine weitere erholsame Nacht auf dem Hof. Auch dieser Homestay, ist nach meinen schönen Erfahrungen bei Jenni und Dave in Wairoa, sehr besonders. Sich mit eigentlich fremden Menschen deren Küche, Wohnzimmer, Essen und Trinken zu teilen, an ihrem Leben, ihren Erfahrungen teilhaben zu dürfen, ist halt einfach speziell. Denke so für mich, dass es eine Grundhaltung der Kiwis ist, sehr zupackend zu sein, die Dinge anzugehen. Wenn man es ihnen gleichtut, was mir nicht schwerfiel, läuft man in ihren Herzen offene Scheunentore ein. Jeder gibt von sich und nimmt vom anderen und so haben beide im Geben und Nehmen ihre Freude und ihren Gewinn.






























































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