Frisches Pappellaub und Holunderblüten oder von Mangaweka nach Palmerston North
- 2. Nov. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Der Anhang (North) an den Namen der Stadt sagt aus, dass es den gleichen Ortsnamen auf der Südinsel noch einmal gibt.
Für dringende Angelegenheiten hatte ich heute Morgen noch vor Tagesanbruch versucht, die mit Nummern-Code gesicherte Toilettentüre des Campinggrounds zu entern. Zwar hatte ich an das Kärtchen mit dem Zugangs-Code gedacht, nicht aber das die Beleuchtung im Zugangsbereich kaputt sein könnte. Aufgrund der vergangenen Regenfälle fiel die besonders feuchte Stelle in der Peripherie der Anlage jedoch überhaupt nicht auf. Gut erholt, bin ich dann trotz der nächtlichen Episode, in meiner behindertengerechten Campingplatz-Suite aufgewacht und da ich noch mit Frühstückscerealien gut ausgestattet war, nahm ich das einladende Café nebenan nicht Anspruch. Beim Anblick schäfchenbepflanzter Hügelflanken, Entengeschnatter und dem eifrigen Gesang der Vögel machte das draußen Essen auch viel mehr Spaß.
Für heute gab es zwei Varianten an mein Ziel zu kommen, entweder durchgehend über die stark befahrene SH1 oder die Nebenstrecke über die SH54 mit stattlichen zusätzlichen 240 Höhenmetern. Mit der letztgenannten Wegstrecke kamen dann so knapp 80 Kilometer und 500 Höhenmeter Steigung zusammen. Was der Etappe heute einen gewissen Drive gab waren die über 700 m Gefällstrecken. Nach den ersten Kilometern unter dem Eindruck des starken Berufsverkehr schwenkte dann die SH54 nach links weg und los ging eine muntere, vertikale und horizontale Kurvenfahrt entlang des Rangitikei Rivers. Auf- und Abschwingend suchte die SH54 unter mir sämtliche Höhen und Tiefen der Region zu durchschneiden.
Was mir positive Assoziationen bereitete, waren die Langholz-LKW mit frischgeschlagenen Kiefern. So werde ich bei dem Harzgeruch, schnell in die Sommer meiner Kindheit, im Schwarzwald zurückversetzt, wo ich auch viel freie Zeit in den Wäldern verbrachte. Es machte mir beim Zuschauen Freude, mit welcher Dynamik und Ausdauer meine Tretwerkzeuge Rennstahl, die Ballasttanks und selbst mich durch die abwechslungsreiche Region kurbelten. Der für den Vormittag versprochene Regen verdampfte zischend auf meinen Oberschenkeln. Beim Anblick des blühenden Holunders am Straßenrand sortierte ich im Geiste schon wieder Holunderblütenrezepte, oder musste an die Holunderblütensektflaschen denken, die mir im Keller explodiert waren.
Einmal den Zenit der heutigen Tagesetappe (den Stormy-Lockout) überwunden, glitt die SH54 über Höhenzüge, deren weite Sicht einem das Herz genauso weitete. Bevölkert mit allen möglichen Weidetieren, denen aufgrund der ganzjährigen Beweidung viel Freiraum zugestanden wird.
Mir vollkommen unverständlich, dazwischen rotbraune Weideflächen, die augenscheinlich großflächig mit Pflanzengift behandelt wurden. Ja ich weiß, die Herbizide lösen sich in nichts auf, Atomkraftwerke sind sicher und Schweine können fliegen. Vermutlich wurden die Flächen mit einem Spitzenprodukt (Roundup) von dem Konzern Gift und Galle (Monsanto) behandelt. Ist jetzt absolut spekulativ, aber auf diesen Verein drauf zu hauen passt immer! Falls ihr zu den Menschen gehört, die daran glauben, dass v. g. Unternehmen zum Wohle von Menschen und Natur unterwegs ist, lest Mal das Buch “Monsanto ein Konzern“. Waren die Niederschläge zwischendurch eingeschlafen, so wurden sie zum Nachmittag hin wieder heftiger. Als ich dann Feilding dem letzten Ort vor dem Tagesziel entgegen strebte, klatschte von links und von vorne gegen mich der Regen, während zur rechten wie Schneelawinen gleich, Kaskaden von blühenden Weißdornbüschen sich bis an den Straßenrand ergossen. Abgerundet wurde das Gesamtbild noch weiter durch den Duft vom frischen Laub der Pappeln. Leichtfertiger Weise hatte ich darauf verzichtet meine Regenschutzkleidung anzulegen und so steuerte ich in Feilding angekommen, das nächste Café zum Boxenstopp, bzw. trocknen und wärmen an. Eindeutig hatte ich das zunehmend kühlere Wetter auf die Zeit spanne unterschätzt und zu wenig auf mich selbst geachtet.
Noch eine Feststellung, wenn man die Farmhäuser, bzw. davor geparkten Fahrzeuge begutachtet. Nämlich das der Wert der Autos, den des Gebäudes teilweise um ein Vielfaches überstieg und das hat nicht unbedingt mit der preiswerteren Bauweise der Kiwis zu tun. Ja ich weiß, man muss Schwerpunkte setzen. Zu Autos fällte mir noch eine Episode ein, die sich in Leverkusen vor Lützenkirchen auf dem Weg mit dem Rad zur Arbeit ereignet hat. Ausgestattet wegen der Dunkelheit morgens mit bester Beleuchtung (Stirnlampe und Fahrlicht) strebte ich meiner Arbeitsstätte in Köln zu. In einem verkehrsberuhigenden Engpass mit Bäumen, zog ein entgegenkommendes Auto immer mehr auf meine Seite und so streifte ich mit meiner Lenkerstange, den Außenspiegel des Kontrahenten. Nach dem Aufprall fuhr ich geschockt und schlenkernder Weise 50 m weiter, brachte aber das Rad ohne Sturz zu stehen. Als ich wieder zu dem PKW aufschloss suchte der Fahrer schon fast panisch die Scheibe seines linken Außenspiegels, den ich ihm bei der Kollision “demontiert“ hatte. Das er mich gestreift hatte und ich vielleicht mit gebrochenem Kreuz irgendwo im Graben liegen könnte, darüber hatte sich der junge Mann noch keine Gedanken gemacht. Vermutlich wäre er auch ohne einen weiteren Gedanken an den Radler weitergefahren. Habe es tatsächlich dabei belassen, ihm eine Entschuldigung abzunötigen und dank meiner Stirnlampe auch noch seinen Spiegel gefunden. Wer will sich davon frei machen, noch nie sein Herz an das Materielle verloren zu haben. Nach einer weiteren Stunde mit Klatschregen von vorne und quer durch die Stadt Palmerston erreichte ich mein Airbnb Tagesziel. Während mein Zimmer einen relativ gepflegten Eindruck machte, konnte man das vom Rest des Hauses nicht unbedingt sagen. Nichtsdestotrotz war der Empfang freundlich und in der Küche wurden mir diverse Gerätschaften zur persönlichen Nutzung angeboten. Rennstahl bekam sogar einen sicheren und trockenen Platz in der Garage zugewiesen. Nach den unangenehmen Wetterbedingungen des vergangenen Tags war heute Mal wieder exzessives Warmduschen angesagt. Eigentlich allein meine eigene Schuld, weil ich nicht auf mich geachtet und zu spät die Regenschutzprotektoren aufgezogen habe. Zum Abendessen suchte ich in der Stadt ein Restaurant auf und anschließend zum Schlafen baldigst mein Bett.
Selbst den Schafen war es auf der Weide zu feucht.




























Kommentare