Graewelroadrally bei “mäßigem“ Wind oder von Pakiri nach Mangawhai Head
- drehknoepfle
- 1. Okt. 2020
- 4 Min. Lesezeit
In einem wunderschönen Text von Joseph von Eichendorff heißt es, “Mich brennts in meinen Reiseschuh’n, fort mit der Zeit zu schreiten….“ Als ich meine sieben Sachen (sechs Taschen am Rad plus den Herrn Deuter, der müffelige Ruck-Sack) gepackt hatte, war mir so gar nicht nach Aufbruch zumute. In der Nacht hatte der Regen schon begonnen und der Sturm trieb jetzt Regenschauer, dicht gestaffelt wie die Kulissenvorhänge im Theater vor sich her. Nützt ja nichts, also den Hauptakteur wetterfest verkleidet und Rennstahl Mal wieder aufgesattelt. Zurück ging es von der Bucht zur Verbindungsstraße und dann dem Wind entgegen nach Norden. Nach kurzer Zeit war es mit dem festen Straßenbelag wieder zu Ende und weiter führte der Weg bis auf kleine Abschnitte über Graewelroad. Vor Beginn meiner Reise habe ich in einem Internetportal von ein Ehepaar gelesen, dass mit E-Bikes in Neuseeland auf Graewelroad unterwegs war. Mein Gedanke dazu, sowas tue ich mir aber nicht an! Im Laufe des Vormittags hatte der Regen zwar nachgelassen, nicht aber der heftige Wind, der mir wechselweise von vorne oder der Seite entgegen blies. Ihr wisst schon ich meine das Lüftchen, wo mal sich die Ohren antackern muss. Lassen wir es Mal positiv sehen, dafür war das ganze stechende Ungeziefer wie vom Erdboden verschwunden. Seit nämlich die Temperaturen sich gelegentlich gegen die 20 Grad bewegen, hat sich von tierischer Seite, ein Heer von blutrünstigen Kriegern auf den Weg zu mir gemacht. Stiche von Mücken, kleinen Fliegen und was es sonst noch so an blutsaugenden Insekten gibt, bewirken auf meiner Körperoberfläche eine regelrechte Beulenpest, mit tagelang dick angeschwollenen Einstichstellen in Verbindung mit starkem Brennen und Juckreiz.
Mein Weg zerschnitt in Zickzackmustern die Farmlandschaft, unterbrochen auch immer wieder durch Waldstücke. Irgendwann auf den unterfestigen Wegstrecken wollte mich Frau Google auf die Cemetery-Road schicken. Nicht nur das der Weg zum Friedhof meist kein Come-Back oder fortkommen hat, so prangte auch unter dem Straßenschild der Hinweis “No Exit“. Das war dann der Auftakt für viele muntere Schotterstraßenwechsel, vor dem heftigen Wind kreuzend und natürlich mit uncharmanten Auf- und Abschwüngen.
Die Zuwegungen heißen oft nach den Farmersleuten bzw. nach dem Hof, vermutlich letzterer einer mit schwäbischen Wurzeln. Vielleicht noch ein Hinweis zum Thema Farming in Neuseeland. Eine Farm zu erwerben oder zu unterhalten, sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist vor allem auch eine Form von Kiwi-Lifestyle. So wurde mir das von informierter Seite zugetragen. Mit einem hohen Maß an Freiheit aber auch an unternehmerischer Verantwortung für den Betrieb. Das ich mich unterwegs in der Nähe der Küste befand, war an den verkehrenden meist klobigen Geländewagen mit Surfbrettbeladung zu ersehen. Vor den Höhen fliehend, neigte sich nach dem ganzen auf und ab des Tages, mein Schotterweg der Küste zu, befestigte Straßen folgten und letztlich auch meinem Tagesziel.
Die Warteschlange hat jetzt mal gar nichts mit Covid 19 zu tun und von Physikal Distance haben die Damen auch noch nie was gehört. Wie im Airbnb beschrieben befand sich das Wohnhaus meiner Vermieter auf dem Berg. und eindrucksvoll war die Aussicht von dem Anwesen beschrieben worden. Dafür lohnte es sich doch, bei der bis hierhin schiebfreie Anfahrt vom Rad abzusteigen und Rennstahl über die wie eine Sprungschanze anmutende Zufahrtsstraße zum Anwesen meiner Gastgeber zu wuchten.
Die Ankunft gestaltete wider Erwarten unangenehm, dabei wurde ich noch von Graham meinem Gastgeber freundlich empfangen. Schon mit einem kritischen Seitenblick zuvor, hatte ich den zweiten Zugang unter der Terrasse und dem Wohnbereich der Eigentümer entdeckt. Trotzdem war ich nicht wenig überrascht, als mir das dunkle Verschlag dahinter als Domizil für die nächsten zwei Nächte bestätigt wurde. Die tolle Aussicht zwischen den ca. 30 cm dicken Pfosten und Konstruktionshölzern in wildes Gestrüpp. Bei Tageslicht und Sonnenschein dunkel genug zum Licht anmachen, aber nur weil gerade die aufgehende Morgensonne nicht da war (sagt der Graham). Der eigens für die Gäste errichtete Freisitz, vollkommen losgelöst von jeglicher angenehmer Atmosphäre, neben dem Stellpatz für das Boot und unter der monströse auskragenden Gebäude- bzw. Terrassenkonstruktion. Von oben war dank der aufwendigen hochschalldämmenden Deckenkonstruktion jeder Schritt, jede Bewegung und auch die Stimmen meiner Vermieter lautstark zu hören. Der Graham hatte mich wohlwollend noch vor den Mücken gewarnt und Dank der wegen fehlenden Schutzes mückendicht verschlossenen Fenster Nächtens, war natürlich auch das Schlafklima eine Außerordentliches.
Bänkchen (Freisitz) für die Schule des Lebens! Vermutlich lag meine Verstimmung vor allem daran, dass die voluminöse Garage bzw. die beiden Autos der Gastgeber ein schönere Aussicht hatten als ich. Da habe ich mich im Sechsbettzimmer, in der als Backpacker-Hotel umgebauten Fabrikhalle in Rotorua wohler gefühlt als auf diesem Edel-Hügel in Mangawhai Head. Die Situation erinnerte mich ein wenig an die englischen Historienfilme, wo dem Dienstpersonal auch nur das Tiefparterre oder die zugigen Taubenverschläge unter Dach zugestanden wurden. Vermutlich würde ich mich schämen, so etwas zahlenden Gästen anzubieten. In jedem Fall habe ich irgendwo im Kleingedruckten überlesen, dass die schöne Aussicht nur für die Gastgeber bestimmt ist.
Letztes Bild nicht Steven Spielbergs "Friedhof der Kuscheltiere" sondern Mangawhais Friedhof der Krusten- und Muscheltiere. Unbeeindruckt dieses Debakels, wollte ich am nächsten Tag mit meist sonnigen und trockenen Abschnitten, den in der Nähe beginnenden Cliff-Walk-Way erwandern. Ich hatte mich dafür entschieden, den Hinweg über das Cliff zu laufen. Ein hervorragend ausgebauter Wanderweg, der durch die steilen und teilweise dichtbewachsenen Abhänge führte. Herrliche Natur mit atemberaubenden, zumindest von meiner Unterkunft versagten, Ausblicken. Am weitesten Punkt ging es über Serpentinen und Treppenstufen zu Strand und dann durch einen Felsentor zurück zum Ausgangspunkt. Der Rückweg mit wechselnden Dekoration bestehend aus Sandstrand, einzelne Felsblöcke, dann Felsstrand, mal glattgeschliffen, dann wieder rau und rubbelig aber immer wieder anders. Etwas spannend noch der Hinweis, dass man den Küstenweg nur bei Low Tide (Ebbe) gehen könnte.
Schlittenfahren auf der Sanddüne. Um es auf einen Nenner zu bringen, der gesamte Weg war so charmant angelegt, dass man sich in Fotomotiven suhlen konnte. Auch gelegentliche kurzer Nieselschauer die über das Land fegten taten dem gewaltigen Naturerlebnis keinen Abbruch.
Unterwegs am Strand eine Fahne, die auf die Surf-Lesson (Lektion) für eine Gruppe von Kindern bzw. Jugendlichen hinwies. Was hätte ich mir als Kind die Hacken angelaufen, wenn ich einmal ans Meer gedurft hätte oder so was wie surfen zu probieren. Wasser, fließende Gewässer, Seen und Meer ist etwas was mich schon von Kindesbeinen angezogen hat. Das erste Mal Meer hatte ich dank meiner Freunde aus Gelsenkirchen auf Norderney.























































Kommentare