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Im Eketahuna-Inn oder Tage im Pub

  • drehknoepfle
  • 25. Juni 2020
  • 5 Min. Lesezeit



Die erste Nacht in dem neuen Domizil hatte ich wenig geschlafen. Der Wind rappelte an Türen und Fenstern und augenscheinlich war er immer noch aufgebracht, weil Rennstahl und ich ihm entronnen waren. Der Pub mit Restaurant und Hotel wird von ungemein freundlichem älterem Ehepaar bewirtschaftet. Die sauberen Zimmer mit Dusche und Toilette auf dem Flur kosten pro Nacht 50 NZD und im Restaurant konnte man abends vorzüglich speisen. Es gab einen Frühstücksraum mit Kühlschrank und allen Einrichtungen, um sich selbst einen leckeres Breakfast (Frühstück) zu bereiten. Die erklärte Vorgabe meiner Gastgeber, ich soll mich hier wie zu Hause fühlen. Da ich der einzige Gast im Hause war, konnten auch keine Wartezeiten zur Nutzung der Sanitärräume entstehen.


Schön war es auch zu beobachten, mit welch friedvoller Ausstrahlung der honorige Küchenchef vormittags in der Küche Gerichte für den Abend vorbereitete.

Dort habe ich ihn wären seiner Arbeit auch angesprochen, wie alt er wohl ist und ob er nicht schon Mal drüber nachgedacht hätte, in den Ruhestand zu gehen.

Daraufhin erzählte er mir, dass er 77 Jahre alt ist und immer noch Freude an seiner Hände Arbeit hätte.


Dazu fällt mir eine Passage aus dem Propheten, von Khalil Gibran ein.


“Es ist euch immer gesagt worden, Arbeit sei ein Fluch und Mühsal ein Unglück.“

…………………………………

Aber was heißt es mit Liebe zu arbeiten?

Es heißt, das Tuch mit Fäden zu weben, die aus eurem Herzen gezogen sind, als solle euer Geliebter dieses Tuch tragen.

Es heißt, ein Haus mit Zuneigung zu bauen als solle eure Geliebte in diesem Haus wohnen.

Es heißt, den Samen mit Zärtlichkeit zu säen und die Ernte mit Freude einbringen, als solle euer Geliebter die Frucht essen.

Es heißt, allen Dingen, die ihr macht, einen Hauch eures Geistes einzuflößen.



Oft ist die Sinnhaftigkeit von Khalils Worten, seiner Weisheit noch im Dunkeln.

Aber viele seiner Worte lassen mich dahinschmelzen, wie den Raureif nach kalter Nacht, wenn Neuseelands Sonne seiner habhaft wird.


So wünschte ich dem Herrn über Pfannen, Töpfe und Schüsseln im Eketahuna-Inn das er noch lange Zeit seinen Speisen einen Hauch seines Geistes einflößen kann.


Nun aber wieder profan weiter!


Gar kein Problem war es mein Stinkezeug vom Vortag zu waschen, der Weg zur Laundry (Waschküche) führte durch die Hotelküche.

Merinowollunterhemd hin und Gore-Tex her, nach einem Tag im Schweiß fühlt man sich damit halt nicht mehr gesellschaftsfähig.

Auch nicht schön, wenn sich die Gerüche von frischer und müffeliger Wäsche verbinden.


Die meist Topladerwaschmaschinen in Kiwiland, stellen durchaus eine eigene Klasse, Waschkultur dar.

So benenne ich zunächst den Vorteil, man kann eigentlich getrost neben der Maschine stehen bleiben, bis sie ihr Programm durchgespielt hat.

Viele waschen auch nur mit kaltem oder warmen Wasser und egal welch raffinierte Programmwahl man an den zahlreichen Knöpfen getroffen hat, nach spätestens 20 Minuten ist alles durch.


Was sie eigentlich nicht können ist es, selbst leichte Verschmutzungen der Kleidung zu reinigen, aber vielleicht stelle ich mit meinen zwanghaften deutschen Leistungsgedanken, auch überzogene Forderungen.



Bei einer vormittäglichen Runde durch den Ort besuchte ich den Four Square Markt, die anglikanische Kirche, eine Sekondhandladen, einen Antikladen und einen Laden in dem es lokale Souvenirs zu kaufen gab. Zum Beispiel den ironischen Aufkleber, “Hier in Eketahuna ist nicht das Ende der Welt, aber man kann es von hier schon sehen“. Und der Vollständigkeit halber, es gab auch einen Laden für Damenunterbekleidung. Vermutlich denkt ihr jetzt jahreszeitlich angepasst an warme Schlüpfer aus der guten Merinowolle, war aber gar nicht so. Es waren eher so Sachen für die heiße Zeit und bei genauerem Hinsehen konnte man auch Spielsachen, also eher für Erwachsene kaufen. Die fehlenden öffentlichen Toiletten in deutschen Großstädte machen deren Besuch bisweilen zum Gassenlauf. Davon kann ich bei meinen Dienstreisen durch Köln ein Lied singen. Vollkommen normal mitten in Eketahuna Dorf die Publictoilet.


In den Analen von der Kirche war zu lesen, dass um 1900 für die örtliche Gemeinde ein junger kräftiger Pastor gesucht wurde, der um die weitläufigen Außenbereiche erreichen zu können, auch Mal einen halben Tag im Sattel zubringen müsste. Als ich das gelesen habe, musste ich unmittelbar an Lukas, den Pastor meiner Gemeinde in Burscheid denken, der an so einer Dienststelle sicherlich viel Spaß gehabt hätte. Dann gibt es einen Rettungswagen von den Johannitern, der im Ort stationiert ist. Die Hilfsorganisation der Johanniter heißt hier St. John und ist im ländlichen Bereich von Volontärs, also von freiwilligen Helfern besetzt. St. John hat hier einen ähnlichen Stellenwert wie bei uns das rote Kreuz.



Hoch interessant übrigens die Sportveranstaltungen im Fernsehprogramm. Für mich am Beeindruckendsten die Performance vor diversen Mannschaftssportaustragungen. Die generischen Mannschaften weiblich wie männlich, zelebrierten die Einschüchterung des Gegners, in der TV-Übertragung in aller Ausführlichkeit. Die Tänze in Maoritradition werden mit einer unvorstellbaren Intensität und ausgefeilter Choreographie durchgeführt. Nach Krieger/innen/manier übertreffen sich die agierenden Mannschaften dabei, mit archaischen Gesten (Augenrollen, Fratzen ziehen, Zunge rausstrecken, usw.) und Körperhaltung die gegnerische Mannschaft vom Spielfeld zu fetzen. Da ich mein Schreibquartier im Pub als einzigen WLan-tüchtigen Raum aufschlagen musste, hatte ich hinreichend Gelegenheit diese Spektakel zu verfolgen. Der heutige Sonntag wurde begleitet von einem knallblauen Himmel und den gleisenden Strahlen der Sonne. Nach den Tagen in Grau mit viel Regen und Sturm eine willkommene Abwechslung. Im Frühstücksraum stand unter anderem ein Bügelbrett mit dem dazu passenden Textilbearbeitungsgerät. So gab ist denn für mich auch keine Ausrede, um in zerknitterter Staude (zünftiges weißes Überziehleinenhemd) im Gottesdienst aufzulaufen. Meine Schritte lenkten mich zunächst zur Sacred Heart Church, die hatten aber schon um neun angefangen, also zu der hübschen Angeliken Church aus Holz. Die Gottesdienstliturgie ähnelt der katholischen und mit der Pastorin Hellen mit ihrem Mann waren wir zu fünft. Denise, schräg hinter mir half mir dabei Texte und Lieder in den unterschiedlichen Büchern und Heften aufzufinden. Die sympathische Pastorin und ihr Mann sind im Ruhestand, was sie nicht daran hindert, hier in Eketahuna den Gottesdienst zu leiten. Während beim Gottesdienst die Ausatemluft in weißen Fahnen dem Körper entwich, war es anschließend in einem kleinen Raum der Gemeinde mukelig warm und wieder sehr informativ. In diesem Zusammenhang, laut der Pastorin Hellen aus Malaysia, sollte man das Land unbedingt besuchen, viel Natur, nette Leute und lecker Essen. Würde sagen, da sind wir dabei! Wie auch in katholischen Gottesdiensten üblich wurde sich gegenseitig ein Zeichen des Friedens gegeben und nach dem Lockdown war dies auch in aller Herzlichkeit wieder möglich. Ich schätze diese Geste sehr und irgendwie hat es mich ein wenig an meinen Aufenthalt in der japanischen christlichen Gemeinde in Inazawa erinnert. Nach einem kurzen Auftakt des Gottesdienstes, sprangen alle Besucher dieser berührungsfreien Begrüßungskultur, wildhändeschüttelnd durcheinander. Nachdem ich mich im Vorfeld schon intensiv über diese Fettnäpfchenkultur belesen habe, war ich vollkommen irritiert.




Das schöne Wetter ausnutzend, machte ich einen kurzweiligen Spaziergang durch den überschaubaren Ort. Wunderbarer Weise war auch just zu dieser Zeit das örtliche Museum offen, in dem auf die Geschichte des Ortes eingegangen wurde.


Wie auf dem letzten Bild ersichtlich, Influenza und Pandemie ist nichts Neues. Nachdem ich mich schon einmal um eine Verlängerung bemühte, hatte ich meinen Aufenthalt um zwei weitere Tage auf sechs Tage aufgestockt. Michelle die freundliche Chefin vom Eketahuna Inn gewährte mir aus unerfindlichen Gründen einen Rabatt. Pay fife days and sleep six days. Der Montag war Ruhetag weshalb ich mich um an geeignetes Netz zu gelangen, im unterkühlten Zugangsflur zum Restaurant einrichten musste. Eine nette Szene aus der Gastwirtschaft möchte ich an der Stelle auch noch beschreiben. Die Tür öffnete sich und eine ältere beleibte Person kam hinein und setzte sich auf einen Stuhl unmittelbar am Eingang. Darauf folgte eine weitere Person die ich daneben setzte. Es war augenscheinlich ein Ehepaar, welches sich nach einiger Zeit der Erholung erhob, um an der Theke eine Flasche Bier zu kaufen und damit im Poolbillardraum zu verschwinden. Nach dem ca. einstündigen unterhaltsamen Spiel machten sie sich sehr beschwerlich wieder auf den Heimweg.


Mag sein das die hiesigen Holzhäuser rückstandsfreier wegbrennen als unsere Häuser, aber das mit den Rauchmeldern gilt bei uns gleichermaßen.


 
 
 

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