“Morning has broken“ oder von Hokitika nach Ross
- drehknoepfle
- 28. Dez. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Nach meinem Aufbruch in Hokitika glich der weitere Verlauf weniger einem Reiseweg als vielmehr einer Odyssee aber erst wieder von vorne. Auch wenn sich die 40 Kilometer direkte Wegstrecke nach Ross, durch die Nutzung des Wilderness-Cycle-Trail etwas verlängern würde, sprach alles für eine entspannte Tour. Mal wieder frühsommerlich kühl, hatte ich mir trotz Sonne intuitiv das langärmelige Oberteil, ein Geschenk von meiner Mama, angezogen. Zunächst über offenes Farmland, war ich gerade mit Rennstahl in ein Wäldchen eingetaucht. So ganz dem lustvollen Pedalspiel verfallen, kippte ich plötzlich nach hinten. Ein Erdbeben war es nicht, womit man hier allezeit rechnen muss, stattdessen war nicht weniger dramatisch, die Sattelstütze gebrochen.
Nach einem kurzen Abwägen der verschiedenen Lösungswege entschied ich mich dafür, zurück nach Hokitika zu radeln. Frei mit Hintern und Sattel auf dem Stützrohr jonglierend erreicht ich nach ca. 30 Minuten meinen Ausgangsort. Wie bei solchen Anlässen üblich, hatte das örtliche Fahrradgeschäft geschlossen. Die ungemein hilfsbereite Lisa vom Visitor-Center rief in Greymouth an und eruierte, dass das Sportgeschäft dort noch bis 13.00 offen hätte. Rennstahl im Center belassend und mit Lisas Telefonnummer, weil hier um 14.00 Schluss ist, machte ich mich per Anhalter auf den Weg. Ziemlich schnell nahm mich ein freundlicher Herr im Kühllaster mit und im Bike-Shop tauschte ich die hochwertigen Edelstahlkomponenten vom Hersteller Falkenjagd, gegen eine schlichtere aber funktionsfähige Variante aus schwarzlackiertem Blech. Obwohl lebhafter Verkehr auf der SH6 zurück in Richtung Süden herrschte, hatte ich mit meinen Avancen beim motorisierten Volk wenig Glück. Das freundliche Zurückwinken war noch die harmloseste Geste, es gab auch andere die mir zweifelsfrei vermittelten, dass ich leichtsinniges Greenhorn so unbewaffnet (also ohne Auto), im neuseeländischen Straßenkampf nichts zu suchen hätte. Erbarmen hatte eine Irin, die in Auckland wohnt und arbeitet und gerade Wanderurlaub macht. So erreichte ich noch zur Geschäftszeit (vor 14.00 Uhr) das Visitor-Center und konnte mich fast unverzüglich auf die Reise machen.
Zauberwald! Wie auch schon die vergangenen Abschnitte führte der Radweg über Nebensträßchen aber vor allen quer durch die Natur, mit meist sumpfigen Waldgebieten und über ehemalige Bahntrassen. So war eine sehr romantische Trambahnstrecke in früher Zeit errichtet worden, um eine Sägemühle mitten im Urwald logistisch zu versorgen.
Mal nutzte ich auch einen Cycle-Highway, an den geschlossene Wasserflächen grenzten. Zum Nachmittag hinten setzte auch der angekündigte Regen ein, in den sich anfänglich Eis eingemischt hatte. Aber spreche ich doch lieber vom Positiven, viel pralle Natur und dem Wind bin ich heute unerkannt entkommen. Bei den zu passierenden Eisenbahnbrücken konnte man spekulieren, ob wohl eher die Holzkonstruktion oder die aus Eisen gefertigten Verbindungselemente ihre Statik verlieren.
Bei dem ganzen Naturerleben ist es nun auch an der Zeit, wieder etwas auf das Tierleben einzugehen. So wie es von dem bekannten Virus nun noch eine gefährlichere Variante gibt, hatte bei den hiesigen Sand Flies auch eine derartige Mutation stattgefunden. Diese Spezies bezeichnet man als “Ignorant Flies“ und macht dadurch von sich reden, dass sie sich über jegliche Art (außer geschlossener Kleidung) von Insektenschutzmittel hinwegsetzt.
In Ross angekommen buchte ich mich im besten Haus am Platz (war auch das Einzige), dem historischen Empire-Hotel ein. Wenn der Stil der Beherbergungsstätte eher in Rustikal gehalten wurde, so hatte ich für 50 NZD ein gepflegtes Zimmer mit modernem Sanitärbereich.
Den Sonntagsgottesdienst erlebte ich nun erstmalig in der örtlichen katholischen Kirche. Der ungemein sympathische und freundliche katholische Pfarrer (die werden hier als Father z.B. Edmund angesprochen), stammte wie die Agnes aus meiner Gemeinde, von den Philippinen und die Gottesdienstliturgie war eine unmittelbare Kopie der Variante wie ich sie in Deutsch kenne.
Im örtlichen Museum gab es zahlreiche Informationen rund um die Geschichte der ehemaligen Goldgräberstadt Ross. Und wie schon gewohnt, wenn man sich zum Wochenende irgendwo im neuseeländischen Nowhere (Nirgendwo) wähnte, dröhnten gegen die Mittagszeit neue, alte, ein- und zweispurige Kraftfahrzeuge über die Straße vor dem Hotel. Auf der Terrasse über dem Eingang hatte ich eine herrliche Aussicht auf das gebotene Spektakel. Besonders erwähnenswert das Ritual von älteren Herren, vielleicht so in meinem Alter, wenn sie sich dazu müßigten, mit den vor der Wirtschaft abgestellten Krad's abzufahren. Der geneigte Beobachter würde vermuten die hocken sich einfach auf ihr Moped und fahren los. Weit gefehlt! Das Ritual beginnt zunächst mit dem dröhnenden Start der Motoren, bei dem dann alle Drehzahltonlagen zunächst im Modus als Standkonzert durchgespielt werden. Unter der holpernden und polternden Leerlaufgeräuschkulisse der Bikes beginnt nun eine rege Unterhaltung darüber, wohin man den nun fahren könnte. Tatsächlich gibt es selten mehr als zwei Möglichkeiten. Zwischendurch ein prüfender Blick über die Gemeinde, sind wir den auch tatsächlich wahrgenommen worden? Dazwischen verschluckt sich schon Mal einer der kultig unrund laufenden Motoren, um mit einem erneuten Aufheulen zum Leben erweckt zu werden. Dann nach geraumer Zeit der Kommunikation, setzen sich die Gefährte tatsächlich in Bewegung, um nach ca. 200 m in die eigentlichen Fahrtrichtung zu drehen und dann noch Mal so richtig an der Wirtschaft vorbei zu dröhnen. Während der geräuschfreien Zeiten fühlte sich der Halter eines historischen Pickup genötigt, den Vorplatz vor meiner Übernachtungsstätte mit Musik aus seinem Autoradio zu beschallen. Hatte sich um die Mittagszeit vor der Theke eine Menschenprozession eingefunden, mit der man das geistliche Personal jeglicher Gemeinden in ihren Gotteshäusern begeistern könnte, verlief sich der Rummel gegen 15.00 Uhr auch schnell wieder. Nicht jedoch ohne die Soundverstärker der Boliden, vor dem Hotel ein letztes Mal kräftig röhren zu lassen. Müde des gebotenen Schauspiels fuhr ich zum Abend hin mit Rennstahl zum Strand, um ein weiteres Schauspiel zu verfolgen. Abgesehen von einzelnen Wolkenfeldern war der Himmel klar und so bereitete ich mich schon mental auf das Sonnenuntergangsspektakel vor.
Wenn man mit dem Rad reist muss man schon auf einigen Komfort verzichten aber ein bisschen Luxus darf schon auch sein. So soll es Menschen geben, die mit Strandmatten, Luftmatratzen, Liegen, Klappstühlen usw. an der Beach aufschlagen, ich bevorzuge in dem Zusammenhang die rote Couch.
Mit etwas Phantasie findet man in dem letzten Bild vor der licht- und lebenspendenden Sonne auch das Alpha und Omega.
Gott spricht ich bin der Anfang und das Ende.
Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende."
(Offenbarung 22,13)






























































Cool from cameron