Neustart in Wellington
- drehknoepfle
- 10. Aug. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Zur Wiederaufnahme meiner Reisetätigkeit muss ich nun doch noch eine wahrheitsgemäße Anmerkungen platzieren.
Ich wollte kneifen!
Vermutlich aufgrund der Traumatisierung bei der Fahrt nach Eketahuna, den angenehmen Zeiten in Wellington mit Schule und in Wohngemeinschaft mit Gordon, wollte ich mich nicht den NZ Winden und dem Wetter aussetzen, sondern mit Zug oder Bus Richtung Norden in wärmere Gefilde reisen.
Gerade so als ob ich nun endlich Mal selber für mich Sorge tragen müsse und nicht meinem himmlischen Reiseführer vertrauen könnte.
Generell bereitet es mir halt Freude an einem schönen Platz einfach stehen zu bleiben und die Natur, Landschaft, Atmosphäre auf mich wirken zu lassen.
Und das am Liebsten ohne kalte Schauer die einem aktuell über den nassgeschwitzten Rücken jagen.
Mein Warmduschertum ist mir aber ziemlich schnell durch eine eiskalte Faktenlage ausgetrieben worden.
Die ausschließlich touristisch genutzte Bahnlinie von Wellington nach Auckland ist aus Mangel an Touristen gecancelt und die Busreiseunternehmen verhalten sich zumindest nach offizieller Lesart ziemlich blümerant damit, Fahrräder zu transportieren.
Für mich habe ich das so interpretiert, hör auf zu quengeln, sattle Rennstahl und schwing deine Hufe.
Wie schnell gewöhnt man sich doch an Kontinuität und regelmäßige Lebensabläufe. Mein Zimmer, mein Bett, mein Supermarkt, mein Pub, meine Schule, meine “Stadt“, usw..
Mir fielen dazu nachfolgende Passagen aus einem Gedicht vom Hermann (Hesse) ein.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. oder Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Also habe ich nach den letzten herrlichen Tagen in Wellington mein Bündel wieder gepackt, mich herzlich von Gordon verabschiedet, um dann nach Paraparaumu dem nächstgebuchten Quartier an der Westküste aufzubrechen. Nach den gepäckfreien Wochen in der Stadt, hatte ich nun wieder eher das Gefühl auf einem Eisbrecher als auf einem Fahrrad zu sitzen. Vermutlich haben sich Schwarzmagier bei Google Map am Morgen meines Aufbruchs eingeheckt, anders ist es nicht zu erklären, dass mich Frau Google immerwährend ins Verderben, sprich auf den Motorway schicken wollte. Einzig die Motorways dürfen nicht von Cyclisten befahren werden. Aber auch bei der Befahrung der parallel verlaufenden SH1 kam im Einzugsgebiet der Hauptstadt wenig Freude auf. Wie um die Zeit üblich, gab es hohes Verkehrsaufkommen in Kombination mit schmalen oder kaum vorhandenen Seitenstreifen. Den Hinweisen eines ortsansässigen Radlers und meiner eigenen Intuition folgend, konnte ich später über die Distanz viele Streckenabschnitte ausmachen, die jenseits der großen Verkehrsströme lagen. Als ich Frau Google zu Steigung befragt, wusste sie nichts zu berichten, außer das es meist flach ist. Gerade als ich von der Bucht von Wellington durch die Berge hin zur Westküste bei Porirua unterwegs war, fühlte sich das ganz anders an.
Um es etwas abzukürzen, es nicht mehr viel Spannendes passiert auf der Reise. Vielleicht noch erwähnenswert das der Radweg teilweise einem Naturschutzgebiet folgte, das die (englische) Queen höchstpersönlich in den 70-gern eröffnet hat. Auch folgte ich mit meinem schwerbepackten Rad zwischendurch am Strand sehr romantisch der Wasserlinie.
Anders als es der Wetterbericht bekundet hatte, war es ab Nachmittag nicht mehr wolkig, sondern sonnig und warm. So konnte ich in einem kleinen Schutzgebiet für Pinguine noch eine gepflegte Rast einlegen. Nicht wie an der Ostküste verschwindet hier im Westen die Sonne irgendwann zeitnah hinter den Bergen, sondern senkt sich sanft in den Pazifischen Ocean. Das wiederum sorgt für angenehmere Temperaturen und schöne Ausblicke auf die über dem Meer untergehende Sonne.
In NZ hat der Wahlkampf begonnen und neben der schon sehr bekannten und populären Prime Ministry Frau Ardern buhlen auch andere Parteien um die Gunst des Wählervolkes. Wenn man die Wahlplakate vielerorts sieht, muss davon ausgegangen werden, dass Politik bei den Kiwis reine Frauensache ist. (Mit solchen Informationen kann ich übrigens das Herz meiner Partnerin Martina erfreuen.)
Von meinen Gastgeberin Jenny wurde ich gegen 17.00 Uhr in die großzügigen (eigene Toilette, Dusche und Badewanne für die Großfamilie) und komfortablen Räume des gepflegten Hauses eingewiesen. Neben der Gastgeberfamilie mit Sohn wohnten auf dem Anwesen auch Katzen, Kaninchen, Hühner und die Hundedame Wannie, die scheinbar erstmalig jemanden gefunden hat, der ihre wahren Bedürfnisse verstand. Beim Abendessen in einem thailändischen Restaurant (man“n“ gönnt sich ja sonst nichts) saßen an einer langer Tafel in lebhafter Unterhaltung ca. 15 Personen aus einem Retirement Home (Altersheim). Im Verlauf des Abends fühlten sich unabhängig voneinander, zwei ältere Damen genötigt, sich bei mir wegen der lauten Gesprächskulisse zu entschuldigen. Ist mir bei den deutlich lauteren und mit Motorrad oder Auto bewaffneten Brüllaffen noch nicht passiert. Zwischendurch kamen in mir, in diesem Zusammenhang sogar rassistisches Gedankenzüge auf. Habe mir überlegt, dass der Radau (vermutlich wird damit schon die halbe Leistung des Motors benötigt) vielleicht eine moderne Variante des Haka, des traditionellen Tanzes mit Drohgebärden und Ausdruck der Kampfbereitschaft, der maorischen Erstbesiedler ist. Allerdings müsste dieser Logik folgend, das Bergische Land (meine Wohnstatt der letzten 38 Jahre), am Wochenende und bei schönem Wetter, von kampfbereiten maorischen Kriegern nur so wimmeln.


























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