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Sonntag mit Hindernissen oder Entspannen an der Schluckauf-Bucht

  • drehknoepfle
  • 28. März 2020
  • 4 Min. Lesezeit


Sicherlich können sich die meisten denken, was für den Vormittag auf meiner To-do-Liste stand. Die nächste famos church mit Service, so erklärte mir das die Verkäuferin vom “Invite everything you need to live-shop“ (Alles was man zum Leben braucht Laden) im Motel, ist in Tikitiki 24 km weg. Hatte ich doch noch die Worte von Juan (gesprochen vorne wie schwitzerdütsch Chuchichäschtli=Küchenschrank) in Matamata im Ohr, also Hitchhiking in NZ ist total easy, stellte ich mich am Motel an die Straße und harrte auf einen Mitnehmer. Abgesehen davon, dass sowieso kaum Autos unterwegs waren, hielt mit einem zackigen Schwung über den Schotterplatz ein Geländewagen. Dem entstieg ein junger Mann mit beigen Tarnanzug, Kapuze auf dem Kopf und vor dem Gesicht ein Netz ähnlich dem der Imker. In ernster Geste und Köperhaltung (vom Gesicht konnte ich ja nicht viel sehen), überreichte er mir die Kopie eines handgeschriebenen Blattes, worin auf die Gefahren von Microwellen, Funkwellen, WiFi, Handystrahlung usw. eingegangen wurde. Nachdem ich das Schreiben respektvoll entgegen genommen hatte, musterte mich mein Gegenüber kurz und lief dann noch mal zum Auto, um mir noch 10 weitere Zettel zum Verteilen zu holen.


Der Ordnung halber gegenüber dem Typ, gebe ich das Schreiben hiermit weiter.

Der Nächste der anhielt, war dann ein Streifenwagen, dem ein junger Polizist entstieg. Auch er wollte wissen, seit wann ich in NZ bin und für wie lange. Ansonsten hatte ich den Eindruck, dass es dem Mann fast ein wenig peinlich war, mich auf den Sonntag Morgen zu behelligen.

Die Zeit war schon vorgerückt, als ein älteres Ehepaar aus Auckland anhielt und mich bis zum nächsten Ort (Te Araroa) mitnahm. Ein Einheimischer nahm mich weiter mit bis 15 km vor meinem Ziel, um mich dann an einer Wegkreuzung in der Pampa zu entlassen. Nachdem die Zeit soweit verstrichen war, dass es nur noch zum Kirchkaffee gereicht hätte, wechselte ich die Straßenseite und machte mich fußläufig auf den Heimweg. In irgend einer dunklen Ecke meiner Gehirnwindungen entsprang der Gedanke, jetzt musst Du nun hier am Straßenrand, fern der Heimat, verhungern und verdursten. Hatte ich doch auf eine kurzweilige Mission nach Tikitiki gehofft. Als ich aus dem Grün neben der State Highway 35 einen Pfirsichbaum mit reifen Früchten leuchten sah. Vermutlich erwachsen aus einem weggeworfenen Stein. Nach einer weiteren Zeit entdeckte ich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße wild wucherndes Weinlaub und dazwischen wunderbar aromatische Trauben. Als echter Jäger und Sammler entwickelt man natürlich einen Blick dafür, wo man(n) an Nahrung kommt. Im Besonderen unterwegs, in der freien Wildnis Neuseelands. (Wie lange war das reichhaltige Frühstück noch Mal her?)

Und wieder erwarten nahm mich eine junge Maorifrau mit, die zuvor mit hohem Tempo und großem Abstand an mir vorbeigefegt war. Aus Gisborne kommend, wo sie ihre Arbeitsstätte hat, wollte sie wegen eines Todesfalls, ihre Familie in Te Araroa besuchen. In einem Höllentempo bei offenen Fenstern, gab sie ihren "Japaner" die Sporen und hatte mich noch über ihr Fahrtziel hinaus, zum Motel gebracht. Wenn sie nicht von dem Todesfall erzählt hätte, wäre meine Vermutung eher diese gewesen, dass sie ihren Bräutigam vorm Altar nicht Übergebühr warten lassen wollte. Nach dem wenig erfolgreichen (vermutlich schon virenbelasteten) Vormittag, musste ich das Geschehene, erst einmal in einer Schöpfungspause verdauen. Traumatisiert vom Vortag und dem letzten Aufstieg zum Motel mit dem Rad, fand sich keine Motivation bei mir, noch mal den Strand aufzusuchen. Wenn nicht die freundliche Verkäuferin vom Motel-Shop mir von einem Hikingway zum Strand erzählt hätte. Nach dem Lunch (Mittagessen) aus Papptoast und Käsescheiben, kam mir ein Verdauungsspaziergang gerade recht. Wieder mal ein gepflegter Wanderweg durch urwüchsige Natur, der nach 30 min. an dem wunderschönen "sauberen" Strand endete.



Es dauerte eine Weile bis mir klar wurde, was an dem Strand und auch an den anderen Stränden die ich bisher gesehen hatte fehlte, der Plastikmüll. Eigentlich war ich der Meinung, dass Plastikmüll egal wo ins Wasser befördert, so wie aktuell die Grippeviren, kosmopolitisch unterwegs sind. Das Einzige was hier anlandete waren Baumstämme und Pflanzenteile aus den Seetangwiesen draußen im Meer. Zu den Viren, natürlich bin ich auf dem Laufenden, was die Entwicklungen, Auswirkungen bei der Bekämpfung des Covid 19 betreffen. Neben dem Schaden für die deutsche Wirtschaft, Weltwirtschaft, trage ich mehr Anteilnahme für die ungezählten, kleinen und großen menschlichen Tragödien in meinem Herzen. An anderen Ende des Strandes beobachtete ich zwei Maoriefrauen, die damit beschäftigt waren, in den Gezeitentümpeln etwas zu sammeln und zu essen. Da ich nun überhaupt nicht neugierig bin, musste ich direkt mal nachfragen, was es den hier zu tun gäbe. Die beiden sammelten Seeigel, die sie mit einer Küchenschere knackten, um danach kleine Gewebeteilchen aus dem Innern zu essen. Das Gegessene hatte eine Farbe wie Mangomus und eine Konsistenz und Größe wie ausgeworfener Bronchitiseiter. Trotz meiner Begeisterung neues kennenzulernen, konnte ich mich nicht dazu überwinden, dass mir angebotene Seeigelinneres zu verkosten. Nach mehreren Stunden auf und zwischen den Klippen, bin ich dann erfüllt und ausgeglichen, wieder dem Motel auf dem Berg entgegengezogen. Im Dunkeln und nach dem Dinner, habe ich dann noch im Regen, eine kurzweilig erreichbare Glow-Worm-Grotte besucht. War nicht so spannend wie bei Kajakausflug aber ganz nett und umsonst. Und am Rückweg kreuzten noch zwei wunderschön gezeichnete Frösche meinen Weg, den Regen als willkommenen Anlass für einen Ausflug nutzend. Am Strand störte noch nicht mal das Quad, was von Zeit zu Zeit über den Sand fegte und einen Surfer in einem Sack hinter sich herzog. Teile der Bevölkerung haben für meine Wahrnehmung ein sehr natürliches Verhältnis zu ihrem Auto. Soll heißen, da wo man mit seinem Auto hinfahren kann, brauche ich schon mal nicht zu laufen. So habe ich in Whakatane beobachtet, dass man sich mit seinen Auto's, unter den Bäumen auf der Grünanlage der Promenade getroffen hat. Oder in Matamata fuhr ein Mann im Geländewagen, seinen Wauzi in der Grünanalage Gassi. Und wenn es den eine Möglichkeit gibt mit dem Auto auf den Strand zu fahren, so nutzt man sie. Von daher sind diese Motels auch saupraktisch, weil man seinen Parkplatz unmittelbar vor dem erdgeschossigen Appartment hat. So kann man(n), wenn er mal Nachts schlecht geträumt hat, zwischendurch vor die Türe gehen und sein Heiligsblechle (schwäbischer Kosenamen für das Auto oder das Daimlerle) liebkosen. Wie ich mal für Dieter aus der Eifel im Dunstkreis von Stuttgart eine Mostpresse kaufen wollte, habe ich einen noch größeren Mobilfreund kennengelernt. Der Werksangehörige hat sein Daimlerle abgemeldet in der Garage gelassen und ist statt dessen mit einem alten Kadett rumgefahren.

 
 
 

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