top of page

Tage bzw. Wandertage in New Plymouth

  • drehknoepfle
  • 24. Aug. 2020
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Sept. 2020



Um mein opulentes Frühstücksmüsli vor meinem Körper zu rechtfertigen, habe ich der Empfehlung von Sheryl folgend mich den ersten Tag auf Rennstahl geschwungen und mich zum Hafen bzw. einem Kegelberg daneben aufzumachen. Der sehr spitz und steil zulaufende Paritutu steht etwas verloren an der weitläufigen flachen Küstenlandschaft von New Plymouth und man möchte meinen, den hat einer dort vergessen.


Den mit einer dicken Kette zum Festhalten gesicherte Weg auf die Spitze könnte man durchaus als Klettersteig einstufen. Oben einmal angekommen hatte man eine wirklich spektakuläre Aussicht über die Stadt, den Küstensaum, vorgelagerte kleine Felseninseln und den Pazifik, sowie den Taranaki, der sich eigens zu diesen Anlass, seiner Wolkenmütze entledigte. Beim Blick auf die ruhelose Brandung auch ein Ort stiller Einkehr, Beschaulichkeit und überhaupt nicht unpassend, um an den Schöpfer einige Dankesworte zu richten. Fast zu schön wenn man’s mit keinem teilen kann und bestens geeignet als Motiv für Ansichtskarten.

Noch von der Bergspitze hatte ich eine Grünfläche gesehen mit ebenmäßig angeordneten Elementen. Dieser Stelle galt mein nächster Besuch und Brian einer der Künstler erklärte mir, das Gelände gehöre zum Hafen und sei von einer Art Künstlerverein angemietet. Charmante Begegnung mit Brian und der versteinerter Kunst!


Anschließend radelte ich entlang der Küste vorbei an der Stadt und freute mich über die geschmackvollen Einrichtungen zum Verweilen. So kam ich sogar seit langer Zeit mal wieder zu einer Siesta in der Sonne. Der Wetterbericht für die kommenden Tage bekundete Sonne sowie beständiges Wetter und so wollte ich am nächsten Tag der Taranaki zu Leibe rücken. Mit dem gemieteten Auto war es auch nur eine halbe Stunde bis zum Visitor Center. Schon bei der Anfahrt in den Nationalpark, mit Bäumen und Bewuchs, der die Straße in einen Tunnel verwandelte, wurde die Vorfreude gesteigert.



Die Wege in dem Gebiet sind genauso gepflegt und gediegen wie die Ausschilderungen. Je nach Zeit und Leistungsvermögen kann man einen kleinen Rundweg über 20 Minuten machen oder vielleicht doch die Spitze? Rund um den Berg sind Selbstverpflegerhütten angeordnet, sodass auch eine 2-5 Tage-Tour um den Taranaki möglich ist. Letztlich habe ich mich ohne entsprechendes Material wie auch den nächsten Tag für Tagestouren entschieden. Um Euch nicht zu langweilen, wieder traumschöne Natur verbunden mit herrlichen Ausblicken bis zu dem im Landesinneren gelegenen größten Vulkanberg und höchstem Punkt der Nordinsel, dem Mount Ruapehu.


Auch immer wieder schön, den Gesangsdarbietungen des Dreitonkuckuck (Tui) zu lauschen. Auffallend, dass auf den Wanderwegen rund um diese touristischen Hotspots, praktisch kein weggeworfenes Papier oder Irgendwas zu sehen war. Aufgrund des wohlwollenden Wetterberichtes für die nächsten beiden Tage, hatte ich den Herrn Deuter, das ist der verblichene alte (Ruck)sack mit Verpflegung, Wechselwäsche und dem Schlafsack beladen um mich zur Pouakai Hut (Hütte) aufzumachen. Ich hoffe, dass er mit dieser Geste auch die Schmach von Wellington, als er für mich als Schulranzen herhalten musste, überwunden hat. Natürlich durfte dabei auch “Speckman“ mein namibischer Sonnen- und Regenschutzhut nicht fehlen. Wieder führte mich der Anfahrtsweg durch den grünen Tunnel (Anfahrtsweg durch den Nationalpark) gesprenkelt mit Hinweisschilder, bitte keine kleinen süßen Kiwis totfahren, zum Visitor Center. Dort noch ein Ticket (15NZD) für die Übernachtung auf der Hütte gebucht und dann konnte es auch schon losgehen. Tatsächlich ist in den Hütten keiner der das kontrollieren würde, aber ich finde den riesigen Aufwand den die Kiwis mit der Einrichtung und Unterhaltung von Wegen und Hütten betreibt, sollte man auf jeden Fall in dieser Weise wertschätzen. Zunächst war der Gipfel noch sanft umschmeichelt von kleinen Sahnewölkchen aber mit dem weiteren Tagesverlauf stach er immer klarer in den blauen Himmel. Zunächst lief man wie auf einem roten Teppich für Hicker, bzw. einem breiten Steg mit Kaninchendraht belegt, um auch bei Nässe sicher begangen werden zu können, dem Startpunkt entgegen. Der Weg stieg zunächst steil aber vollkommen unabenteuerlich wegen dem guten Ausbau an, um dann sehr charmant über der Baumgrenze und unterhalb der taranakischen Schneemütze der Topographie zu folgen. Wenn mein Wanderfreund Christian aus meinem Munde das Wort, wir müssen einfach nur der Topographie folgen hört, bekommt er sicherlich heute noch Schnappatmung und roten Ausschlag im Gesicht. Liegt vermutlich an einem etwas ungewöhnlichen “Mehrtagesausflug“, den wir in den Bergen im Tessin zusammen bestritten hatten. Oberhalb der Baumgrenzende waren die Bergflanken überzogen mit immergrünem und unterschiedlichstem Buschwerk, etwas ähnlich den Latschenkiefern in den Alpen.

Zwischendurch ging mein Blick auch immer wieder sehnsüchtig zum Gipfel des Taranaki, der im Gleiß der Sonne fast dauerhaft präsent war. Leider, leider hatte ich zu Hause mein Trekkingsandalen mit den Spikes vergessen und die Steigeisen für Eis und Schnee habe ich an den Source-Sandalen nicht ans Halten bekommen.



Der Auf- und Abstieg zur Spitze erfordert übrigens etwa 8-9 Stunden Gehzeit und gute Kondition aber kein besonderes bergsteigerisches Können. Auch noch einmal der Hinweis, auch wenn es meine Bilder nicht vermuten lassen, es ist immer noch Winterzeit in Kiwiland. Und bei der Aussicht auf den Berg sieht man auf welch engen Raum, die neuseeländischen Eisheiligen ihr Dasein fristen müssen. Nur in den sonnenabgewandten engen Nischen und Ecken konnten sie bisweilen doch ihre Muskeln spielen lassen. Da war der Wanderweg bzw. Boden dann gefroren und im überhängenden Erdreich seitlich schimmerten Eiszapfen. Allgegenwärtig an den Wegen in den Nationalparks aber auch außerhalb der Parks sind Fallen, Fallen und Fallen. Es erweckt den Eindruck das es mindestens so viele Fallen wie Raubtiere geben muss. Mal wieder das Wesentliche in Kurzform, Stille, sehr gepflegte bestausgebaute Wanderwege und tolle Natur mit traumhaften Ausblicken in alle Richtungen. Vielleicht noch erwähnenswert, zur Mittagspause hatte ich ein herrliches Plätzchen in der Sonne an einer Wegkreuzung gefunden, als ich Stimmen von dem anderen wirklich schroff ansteigenden Weg unterhalb von mir wahrnahm. Die Stimmen gehörten zu drei Damen so in den Siebzigern, die nach dem sie zu meinem Pausenplatz aufgeschlossen hatten, unmittelbar Thermoskannen und Verpflegung auspackten. Soll nicht böse klingen sondern eher als Kompliment, hätte die Drei von ihrer Erscheinung her, eher in einem Kaffee zum Plausch hinter einem dicken Stück Sahnetorte vermutet.


Örtlichkeiten wie dieser Pausenplatz sind sehr geeignet um Leute zu verköstigen, angesichts von Aussicht und Atmosphäre könnte man den Gästen unbemerkt auch einen ausgelatschten Wanderschuh auf dem Teller servieren. Später mündete der Wanderweg abfallend in ein weitläufiges Hochtal bzw. sumpfiges Hochmoor mit Flusslauf und geschwungener Holzbrücke. Beim erneuten Aufstieg über Grate, durch bizarr zerklüftete Bäume und ein gutes Stück abgerückt von dem Vulkan, taten sich im goldenen Licht der Nachmittagssonne erneut traumschöne Blickwinkel auf den Taranaki auf.


Etappen teilweise bei denen man sich in tollen Motiven und Perspektiven suhlen konnte. Vielleicht noch eine allgemeine Anmerkung zu den Freizeitaktivitäten speziell in dieser Region. Wandern unter Hochgebirgsbedienungen, ist in Sichtweite von einem Strandurlaub mit Wassersport entfernt. Beneidenswert! Über weitere Höhenzüge mit leichteren Auf- und Abstiegen, flankiert von wilddreinblickenden Baumskulpturen erreichte ich meinen Übernachtungsplatz. Die Pouakai Hut liegt malerisch an einer nach Norden abfallenden Flanke unterhalb der Bergkuppe. Es gibt zwei Schlafräume mit Matratzen zum Liegen, einen großen Aufenthaltsraum mit Holzofen und dazu Regenzisternenwasser, sanitäre Anlagen und ein Brennholzschuppen. Konfrontiert mit unterschiedlichsten jungen Leuten und Ausrüstungsstandart war ich nun nicht mehr verwundert, dass Wanderer in NZ schon mal in Not geraten. Im stockdunkler Nacht und ziemlich durchgefroren kamen zu guter Letzt auch noch zwei junge Damen aus Tahiti zum Übernachten auf die Hütte.


Zum Sonnenuntergang dann noch Mal die fünf Minuten hoch auf die Kuppe, wo aber schon erste Wolken am Horizont den Wetterwechsel ankündigten. Um den atemberaubenden Sternenhimmel ausführlicher genießen zu können, war es im Nachhinein zu kalt und zu windig. Ein Opfer um mich in Nächstenliebe üben zu dürfen, fand ich in Arnaud aus Bourdeaux. Er war nachmittags ausgerüstet mit einer ganzen Wasserflasche von einem anderen Parkplatz zur Hütte gewandert und wollte wegen der vorgerückten Zeit und dem schlechten Weg, den nächsten Morgen für den Rückweg abwarten. Auch wenn er sich zunächst etwas zierte hoffe ich, dass er mir nicht zu sehr gram war, weil ich meine gutbemessene Verpflegung mit ihm teilen wollte. Bereitwillig hat er im Aufenthaltsraum die ganze Nacht den Ofen am Laufen gehalten, zumal er keine Übernachtungssachen dabei hatte und das die einzige Möglichkeit war nicht zu frieren.

Das Wetter den nächsten Morgen präsentierte sich eher von der garstigen Seite mit Wolkennebeln und kalten Winden. Also kein Grund um länger auf den Höhen zu verweilen! Der Weg von der Hütte zurück zog sich noch zunächst über einige kühn geschwungene Höhenzüge um aber danach dauerhaft in die von engen Schluchten durchfurchten Urwälder abzutauchen. Für Elisa und Sebastian die ich beide auf der Hütte kennen gelernt hatte war es selbstverständlich, dass wir bei gleicher Wegstrecke auch den Weg gemeinsam zurück gehen. (Wollte mich bei den jungen Leuten keinesfalls aufdrängen.) Die sechsstündige Gehzeit mit den aufgeweckten jungen Leuten aus Deutschland bot viel Gelegenheit, sich über Gott und die Welt auszutauschen. Trotzdem auch Zeit in der wir verharrend, gemeinsam in der Stille, die zauberhafte Atmosphäre des Waldes und seiner Bewohner aufnehmen konnten.


Wenn ein Taleinschnitt zu schroff den vorgezeichneten Weg verlegte, wurde es mit einer spektakulären Hängebrücke gequert. Auch ohne Bungee und Jumping durchaus geeignet den Erlebnisfaktor der Reise zu heben. Die überbordende Natur auch hier wieder so liebevoll durch den Vater gestaltet, das man eher verwundert war, keine der in der Kindergeschichte von Astrid Lindgren beschriebenen Naturgeister, wie Graugnome, Rumpelwichtchen oder gar Wilddruden anzutreffen. Ungewöhnlich wirken in diesem zugemoosten, zugewucherten Durcheinander einzelnen Bäume die so aussehen, als ob man sie aus dem Anzug geprügelt hätte. Ein prüfender Blick ins frische Grün der Wipfel sagt einem, die sehen immer so aus und alles in Ordnung.


War Morgens die Hütte fast von Wolken eingehüllt, so öffnete sich der Himmel gegen Nachmittag immer mehr und ließ auch das weiche goldene Licht der Sonne zwischen die Urwaldbäume fließen. Immer wenn sie am Nachmittag schon dem Horizont zustrebt, die Natur und die Farben aufflammen lässt in ihrem gleißenden Licht, durchzuckt es mich unwillkürlich, um mit meiner unzulänglichen Fotoausrüstung zu agieren. Etwas ausgekühlt aber Trunken von der Zeit auf dem Berg und in den Wäldern erreichten wir spätnachmittag das Visitor Center. Nicht ohne unsere Kontaktdaten auszutauschen und uns herzlich voneinander zu verabschieden, strebten die Beiden nach einer Duschmöglichkeit und ich zu meinem Airbnb bei Sheryl.

 
 
 

Kommentare


© 2023 Robert Lehmann. Erstellt mit Wix.com.

  • facebook-square
  • Flickr Black Square
  • Twitter Square
  • Pinterest Black Square
bottom of page