The Church of Jesus Christ of Latter Day Saints oder von Oakura nach Kerikeri
- drehknoepfle
- 8. Okt. 2020
- 7 Min. Lesezeit
Nachdem ich mich bei meiner Vermieterin Ngawai noch herzlich verabschiedet habe, wendete ich mich nach dem kurzen Weg entlang des Strandes wieder den Bergen zu. Die zwei Kilometer zurück und hoch zur Durchgangsstraße waren schon Mal gut zum Aufwärmen. 65 Kilometer bei über 11oo Höhenmeter sollten es heute sein, wobei sich Tante Googlina beharrlich weigerte, mir eine Route mit Fährennutzung (von Russel nach Pahia) zu berechnen. Während ich bei blauen Himmel und Sonnenschein hochmotiviert in die Pedale trat, sinnierte ich gleichzeitig darüber, dass ich am heutigen Sonntag wieder keinen Gottesdienst mitbekomme.
Zumindest laut Internet gab es hier keine Kirche mit Service in der Nähe, als sich zu meiner Linken ein großes weißes Gebäude auftat.
Eine weiße spitze Nadel wies vor dem Gebäude zum Himmel und auf dem weitläufigen Parkplatz war reger Betrieb.
Die teilweise imposanten zum Himmel weisenden Nadeln, sind "Markenzeichen" bei den Gemeindehäusern der "The Church of Jesus Christ of Latter Day Saints christlichen Gemeinden" zu finden.
Also schnell Mal zum Haupteingang geradelt und nachgefragt, ob man als angeschwitzter Radfahrer auch am Gottesdienst teilnehmen dürfte.
Aber klar doch!
Stand auch am Schild, Visitors Welcome!
So wurde ich doch direkt von einem halben Dutzend Leuten per Handschlag (trotz Virus) begrüßt und willkommen geheißen.
Der gut gefüllte Gottesdienstraum setzte sich zu Teilen aus Leuten mit Maoriwurzeln aber auch europäischen Ursprungs zusammen.
Darüber hinaus waren aber augenscheinlich noch andere Nationalitäten vertreten.
Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, jemals in einer Gemeinde mit so vielen (sich langweilenden) Kindern gewesen zu sein.
Neben mir saß Hmhmhm (Name konnte ich mir nicht merken) ein gewichtiger Mann mit weißem Hemd, Krawatte und einem kunstvollen Rock aus Naturfasern umgebunden. Auf meine Frage, nein er ist kein Maori, sondern aus Tonga aber mit einer Maorifrau verheiratet.
Unmittelbar nach den ersten beiden Liedern wurde das Abendmahl gefeiert.
Etwas unpassend, dass just in die kurze Zeit der Stille meine Navigatorin die Frau Googlina aus dem Mobil lauthals verkündete, „Bitte der Straße weiter folgen.“
Ähnlich wie in der Brüdergemeinde in Hamilton standen danach mehrere weibliche wie männliche Gemeindeglieder auf, um von ihrem Verständnis von Gott und seinem Sohn Jesus Christus zu sprechen.
Nach dem Gottesdienst gab es Teaching in Kleingruppen, wozu ich auch herzlich eingeladen war.
Da ich meine gesamte Tagesetappe aber noch vor mir hatte, machte ich mich, jedoch mit geistiger Stärkung, wieder auf den Weg.
Nach weiteren Kilometern mit munterem auf und ab, musste ich mich an einer Kreuzung für 36 km Küstenstraße (befestigt) oder 26 km Graewelroad nach Russel entscheiden.
Soweit es der extrem lockere Untergrund zuließ, kurbelte ich mich mit der Präzision einer Schweizer Nähmaschine Kilometer um Kilometer in die Höhe. Langsam zeigt das fast achtmonatige Training doch Wirkung. Den Weg hatte ich weitgehend für mich, was aber wegen dem gerölligem Untergrund zu keiner entspannteren Fahrweise führte. Um mich herum taten sich wieder urwüchsige Wälder auf und säumten den serpentinenartigen teilweise ins Gestein gefrästen Weg. Bei der anschließenden steilen Abfahrt auf dem üblen Untergrund durfte man alles machen, nur nicht die Finger von den beiden Bremshebeln nehmen. Trotzdem landete ich kurz vor Schluss dann noch im Graben, konnte aber die Bewegungsenergie moderat und ohne Blutvergießen, mit einem kühnen Sprung vom Rad herunterdrosseln. Nach Vierzehn Kilometern und dem kurzen Stunt hatte ich den Graewelroad für den heutigen Tag hinter mir, nicht aber die mehr als unsanften Aufschwünge.
Zum Nachmittag erreichte ich die historische Stadt Russel und enterte ohne Wartezeit die Personenfähre nach Pahia. Da Rennstahl keinerlei amphibischen Qualitäten besitzt musste ich auf dieses Hilfsmittel ausweichen, und das obwohl die gesamte Strecke zwischen den beiden Orten komplett flach war.
Die sich gegenüberliegenden Städtchen Russel und Pahia, muteten am Sonntagmittag mit ihren Besucherströmen, Cafés, Restaurants und Geschäften wie das Touristenmagnet Titisee im Hochschwarzwald an.
In Pahia so mein Plan, wollte ich pausieren und suchte zu diesem Zweck ein Fachgeschäft für High-Energie Tiefkühlkost in Kugelform auf.
Aufgrund der ungemein einladenden Auswahl und der sympathischen Bedienung, fiel es mir schwer mich auf vier Kugel zu beschränken.
Abgerundet wurde das Ganze noch durch ein Kesselchen Zaubertrank (Earl Grey), also alles da, was das graewelroadgeschüttelte Radlerherz begehrt. Kurz nach Pahia gab es einen Honigladen und so nutzte ich wieder die Gelegenheit, der neuseeländischen Imkerzunft und mir natürlich auch etwas Gutes zu tun. Weiter ging es höhenmeterfressender Weise über stark befahrene Straßen entlang der SH11 und danach auf der SH10 nach Kerikeri.
Die Grünen gibt es seit etwa 12 Jahren in Neuseeland. Der Kandidatin auf dem Wahlplakat lässt wirklich keinen Zweifel daran, von zupackenden Natur zu sein. Herrrlisch! Ziemlich überrascht war ich, als ein Auto neben mir verlangsamte und die Beifahrerin fragt ob ich der Christoph wäre. Äääh, häh, ja wiiie? Es waren meine zukünftigen Airbnb-Host von Kerikeri die einen Ausflug nach Pahia gemacht hatten. Ein motorisierter Zeitgenosse und Kunstkraftfahrer brachte es fertig, mich obwohl ich in der Fahrbahnmitte fuhr (wegen fehlendem Seitenstreifen) und trotz Gegenverkehr zu überholen. Konnte nicht anders als für diese fahrtechnische Leistung, dem Gefährdungsteilnehmer ein paar anerkennende Worte hinterher zu rufen. Die ich aber an dieser Stelle aus jugendgefährdenden Gründen nicht wiedergeben möchte.
Und wie alle Reisetage auch wieder Verkehrstote. Den Namen von dem hübschen Vogel mit Krönchen muss ich noch eruieren. Sehr positiv erlebte ich meine Ankunft in Kerikeri. Das Haus lag in einem abgelegenen Tälchen (Wohnpark) mit einzelnen großzügigen Häusern. Der Zugang zu meinem erdgeschossigen Apartment war natürlich offen, so dass ich unmittelbar davor Rennstahl entladen und mich der komfortablen Dusche zuwenden konnte. Später trafen dann auch meine Gastgeber ein und erklärten mir, was ich alles hier im Haus nutzen könnte. Angefangen von dem Kinoraum mit Sperrsitz und Logenplätzen im Keller, den weitläufigen Küchenwohnbereich und natürlich die zahlreichen Terrassen, von denen man seinen Blick über die weitläufige Landschaft schweifen lassen konnte. So war ich einmal mehr über die Großzügigkeit und Herzlichkeit überrascht, mir der meine Gastgeber ihr wundervolles Anwesen mit mir teilten.
Katze und Blumen in der dritten Bildreihe sind auch echt. :-)
Der Folgetag war angefüllt mit logistischen Aktivitäten wie z. B. die Bremsbeläge von Rennstahl wechseln zu lassen oder weiteres Homöopathikum (Ledum C30) zu besorgen, um damit die heftigen Folgen von den Insektenstichen zu dämpfen.
An meinen Sandalen hatten sich weitere Bänder aus der Sohle gelöst, die nun schon mit einer gewissen Professionalität von mir wieder eingeklebt wurden.
Um die Verklebung fachmännisch zu verpressen, haben sich in der Vergangenheit die Pfosten meiner Schlafstätten bewährt.
Nicht vergessen bei Nachahmung etwas Plastikfolie zwischenzulegen, weil sonst die Sandalen mit den Bettpfosten verklebt werden.
Winnetou und Old Shatterhand
In Google Maps, als auch von meinen Gastgebern war zu erfahren, dass sich in der Nachbarschaft ein herrlicher Flusslauf mit mehreren Wasserfällen befand. Da kann man doch nicht unbesehen dran vorbei-, bzw. weiterradeln. Neal mein Gastgeber setzte mich am Einstieg zu einem Bachlauf dem Wairoa Stream Walkway ab. Schon nach kurzer Zeit erreichte ich einen ersten Wasserfall, wo sich der Bach todesmutig und umsäumt von überbordender Natur, über eine Felsklippe stürzte.
Habt ihr euch auch schon Mal gefragt, was machen eigentlich die Leute aus dem Rotary Club? Zum Beispiel Wege bauen und ich finde auch von spiritueller Seite her eine wunderbare Geste, für andere Brücken zu bauen. Besonders auffallend und hübsch anzusehen, die wildwuchernden weißen Callas (Begräbnisblumen) oder die alles überziehende dunkeläugige Susanne. Auch wenn sie ebenfalls zugereist sind, finde ich die oberarmdicken Bambusstangenwäldchen faszinieren, mit ihrer Ästhetik und den unglaublichen statischen Eigenschaften.
Zum Ufer hin stießen auch immer wieder Wohnanwesen wo einem direkt klar war, dass die Bewohner auch lieber vom Gesang der Vögel als vom Röhren der Straßenhirsche wach werden wollen. Zwischenzeitlich erreichte ich das Stone-Store-House, das älteste Steingebäude und daneben auch das älteste Holzhaus Neuseelands. Das Gelände gilt als Wiege der Besiedelung von Neuseeland durch die Europäer. In dem Holzgebäude war die erste christliche Mission untergebracht. Generell davor genutzt als ein befestigter Wohnsitz der Ngapuhi-Iwi und deren bekannten Maori-Chief Hongi Hika. Ausführlicher und sehr interessant unter dem Suchbegriff Stadt Kerikeri NZ beim Wiki-Peter nachzulesen. Hongi Hika um 1772 geboren, ist sogar bis nach London gekommen und war aber am meisten an der europäischen Waffentechnik interessiert. Sein Wissen und die durch Tauschhandel erworbenen Musketen nutzte er später wenig charmant, um einen befeindeten Iwi = Stamm zu massakrieren.
Vollkommen aus dem Häuschen war ein Fantail (endemische Vogelart), als ich mich von der historische Stätte dem weiteren Wanderweg zuwenden wollte.
Wie ein Gummiball hüpfte der Vogel vor mir her über die Wiese oder veranstaltete wilde Kapriolen in der Luft, das einem vom zu sehen schon schwindelig wurde.
Ich liebe sie!
Zweites Bild ein Pukekomädel mit ihren beiden Verehrern. Einmal am Waipekakoura River angekommen taten sich, herrührend vom Vulkanismus eindrucksvolle Felsformationen auf, die jedem Karl-May-Film Ehre gemacht hätten. Das Wasser des Flusses glitt einmal über Felsbänke, versackte dann wieder in tiefen Becken, strömte in Kaskaden und stürzte sich am Rainbowfalls gänzlich über die Klippen. Alles malerisch und kulissengeeignet ausgeschmückt mit wildwuchernder Natur. Die Felsplattform oberhalb des Wasserfalles bildet auf ganz natürliche Weise eine Bühne für die sich zwangsläufig aufdrängende Filmszene.
Selbst wenig fantasiebegabte Zeitgenossen können sich das vorstellen, wie Winnetou und Old Shatterhand auf der Felsplattform beim Rauschen des Wasserfalls aufeinandertreffen. Winnetou im gepflegten weißen Wildlederanzug, den aufgestickten indianischen Applikationen und seine Silberbüchse liebevoll in der linken Armbeuge wiegend. Während Old Shatterhand eher rustikaler aber auch in Leder gekleidet seinen Blutsbruder die rechte Hand zum Gruß reicht. Zeitgleich dröhnt irgendwo aus dem Blätterwald die Erkennungsmusik zu den Verfilmungen. Und vermutlich könnte man dem Schönheitschirurgen seines Vertrauens ein Vermögen in den Rachen werfen und würde trotzdem nicht halb so gut aussehen wie einer der beiden Blutsbrüder.
Aber zurück zu den Realitäten des Lebens, zwar traf ich nicht auf die Jugendidole der Nachkriegszeit, aber auf das Rainbow-Tea-House und weil gerade Lunchtime war, fand ich auf der Terrasse unter einem Vorhang aus Glyzinien ein romantisches Plätzchen. Das sommerhelle geschmackvolle Jugendstilgebäude mit der Terrasse, als auch der Garten ein Traum aus dem man nicht wieder erwachen wollte.
Wider dem Wetterbericht, trat ich in der goldenen Nachmittagssonne den Heimweg an.
Der sich aufdrehende Farm, Symbol für Wachstum, Veränderung und Neubeginn. Schon morgens hatte meine Gastgeber Neal mich zum Abendessen eingeladen, selbstverständlich sich mit einem kleinen Gastgeschenk zu bedanken. Wie immer eine wunderbare Gelegenheit, in einem freundschaftlichen Austausch, mehr von den Menschen und aus der Region zu erfahren.
























































































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