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Von New Plymouth nach Whangamomona oder Forgotten World

  • drehknoepfle
  • 4. Sept. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Sept. 2020




Nachdem ich mit Paul Morgens noch ein angeregten Austausch über den Vorabend, das Konzert und Überhaupt hatte, war es gegen 10.00 Uhr schon hohe Zeit für den langen Weg. Frau Google hat wohl in Bezug auf Höhenmeter auf Schlafmodus geschaltet, anders ist es nicht erklärbar, dass sie mir neben 87 km vorwiegen flaches Gelände prognostiziert. Nachdem gemeinsamen Fototermin, fiel der Abschied von Wynne und Paul aber auch von seinem Bruder und Schwägerin Wayn und Judi, sehr herzlich aus. “Auf geht’s“, rief mir Paul noch aufmunternd und mit einem leichtem Allgäuer Akzent hinterher. Sehr wertschätzend, das Herz erwärmend, wenn man zum Abschied wie schon des Öfteren gesagt bekommt, du bist uns immer willkommen. Auch wenn Paul die ganze Zeit beteuert hat ein Kiwi zu sein, kam es mir eher so vor, als ob er ein Allgäuer mit sehr guten englischen Sprachkenntnissen wäre. Oder ein (zu Franz-Joseph-Strauß-Zeiten) eingeschleuster Spion des bayrischen Geheimdienstes (sind ja beides Agrarstaaten), der hinter das Erfolgsrezept der neuseeländischen Farmer gelangen sollte? Nicht nur wegen der Kühle des morgendlichen Fahrtwindes hatte ich die erste Zeit etwas feuchte Augen. Wie schon bei meiner Anfahrt von Opunake in das Gebiet hüllte sich diesmal im Rücken, der Taranaki in Wolken. Nach einer kurzen Anfahrt fand ich mich in strömenden Regen auf der ansteigenden SH3 wieder. Und wieder einmal wurde ich Augen- und Ohrenzeuge von dem was die Gemeinschaft der neuseeländische Kraftfahrer so drauf hat. Da wurde geröhrt, gedröhnt, georgelt, gehupt, gejault und wie man das Gebaren noch immer bezeichnen mag. Der wesentlichste Punkt bestand jedoch darin, an dem augenscheinlich verwirrten, einfältigen und nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer am linken Fahrbahnrand on edge, also auf Kante vorbei zu rasen. Vermutlich sollte ich dieses Handeln als wohlgemeinte Geste werten, um mich davor zu bewahren die gesamte Fahrbahnbreite ausnutzen zu wollen und dadurch evtl. Schaden zu nehmen. Vielleicht aber auch nur so als dezenter Hinweis gemeint, wem die Straße hier eigentlich gehört. So war ich dann wenig enttäuscht als in Inglewood meine weiterer Route einer wenig befahrenen Nebenstraße der Tarata Road folgte. Mal wieder eine Gelegenheit aber auch so ganz tief ins neuseeländische (Land) Leben einzutauchen.


In einem munteren Auf und ab, ging es wieder durch das hügelige, saftiggrüne und kuhbestande Farmland. Vermutlich angetan, durch die von Luke dem Osteopathen empfohlenen Dehnübungen, zeigte sich meine Oberschenkelmuskulatur hochmotiviert, bewegungsfreudig und scheinbar allen Aufgaben gewachsen.


Das Farmland hinter mir lassend, mutierte mein Fahrweg zu einer Passstraße durch bewaldete Berglandschaften. Allein die kühleren Temperatur und auch der noch vor mir liegende Weg hielten mich davon ab, öfters inne zu halten um die Natur und die bisweilen spektakulären Aussichten zu genießen. Was in der ganzen Idylle auch wieder fehlte war das Pelztier mit der Milchkanne im Arm aus der Bärenmarke Werbung. Irgendwann taute mir der geschmeidige Straßenbelag unter den Reifen weg und zurück blieb hässlicher Grawelroad. So verletzlich mit dem Rad unterwegs, empfindet man eine befestigte Straße wie ein zartes Band, welches einem noch gefühlt mit der Zivilisation verbindet. Stringent folgte die v. g. Straße, jegliche topographischen Linien schneidend, weiteren Pässen. Einigermaßen beunruhigend die Tatsache, dass mir auf dem teilweise vom Schwerlastverkehr weichgekochten Weg nur noch mit Baumstämmen beladene Trucks entgegenfuhren. Da flammten in meinem Kopf dann doch wieder die Bilder auf, als ich schon mein Ziel die Halbinsel Te Mahia vor Augen und dank Googlina Stunden auf Forstwegen durch die neuseeländischen Bergwälder radelte.


Und nun wieder eine dieser urwüchsigen Regionen, wo Füchse und Hasen beiderseits der Straße sich in Dreierreihe versammeln, um gute Nachtwünsche auszutauschen. Was dem heutigen Fortkommen eine angenehme Note verlieh war die Tatsache, dass mir der Wind meist in den Rücken blies. Zwischendurch auch zu sehen, Schwärme von Eastern Rosella , kleine knallbunte Papageien. Und immer auf Kurzbesuch die luftakrobatischen Fantails. Ich liebe sie! Öfters zu riechen oder zu sehen sind verwilderte Ziegen, die meist sobald sie einem ansichtig wurden in wilder Flucht davonstoben. Wenn nicht einem Farmer zugehörig, sind sie sogenannte Pestanimals und werden bejagt.


Freudige Begrüßungsschweintruppe leider am Weg und nicht am Ende des Weges. Bei einem weiteren sich über Kilometer hinziehenden graweligen Steigungstück, musste ich drastische Maßnahmen ergreifen und Rennstahl von Hand weiterbewegen. Selbst gepäckfrei und mit einem qualifizierten Mountainbike hätte Radeln in diesen Abschnitten keine Freude bereitet. Physikalisch betrachtet fast dasselbe wie radeln, nur das dabei andere Muskelgruppen zum Einsatz kommen. Besonders bei sehr abschüssigen bzw. steilen Passagen sind dazu noch die Fahrbahnoberflächen sehr stark borniert (wie ein Katzenbuckel von linken zum rechten Graben gespannt) damit bei starken Regenfällen der Straßenbelag nicht ausgespült wird. Leichtere oder kleinere Bestandteile des Wegebaumaterials werden jedoch seitlich ausgeschwemmt und so bleibt loser gerölliger Belag über. Das sind dann Streckenabschnitte wo ich mich keinesfalls als Reisender fühle, sondern nur noch als Ochse in seinem Geschirr. Aber nicht morgens auf dem Weg zum Feld sondern auf dem Acker in der achten Stunde vor dem Pflug. Soviel zu meinem "real Feeling"! Irgendwann schloss dann der Grawelroad, zu meiner großen Erleichterung zur befestigten SH 45, dem “Forgotten Highway“ auf. So ein Fahrweg mit Straßenbelag und zwei Fahrspuren aber seinem eigenen Motto folgend, mit weithin sehr geringem Verkehr. Manchmal ist es total wichtig sich auf das Positive zu fokussieren. Ein Hinweisschild Whangmomona Saddle (Sattel), ließ wiederum Übles vermuten. So dehnte sich die prognostizierte Fahrzeit 4 Stunden 30 min. laut Navi, zu einer Reisezeit mit kurzen Pausen von 8 Stunden. Gut das ich mir für den heutigen Tag sowieso nichts anderes vorgenommen habe. Nachdem ich die vorbildliche publik Toilette von Whangamomona passiert hatte, (nach solchen Tage gibt es aber auch gar nichts was man da noch abgeben könnte) eröffnete sich an einer Kreuzung das weitläufige dörfliche Zentrum, ein Hotel verstreut ein paar Häuser und dazwischen der von mir gebuchte Metzgerladen. Der gesamte Ort atmet noch im Geist der ersten Tage, als sich europäische Siedler daran machten Wälder zu roden, Brücken und Straßen zu bauen, Wohnhäuser und Infrastruktur zu errichten. Der ehemalige Butcher-Shop ist liebevoll restauriert und für mehrere Leute als Ferienhaus eingerichtet. Da es hier nichts zu kaufen gibt (von dem Hotel mit Pub hatte ich nur gelesen das man es erwerben könnte), bat ich per Mail um ein paar Lebensmittel. So fand ich neben diversen Marmeladen, Honig, (Gummi)Brot, frischen Bioeiern und anderer Nahrungsmittel, auf der Spüle im Auftauen begriffen, eine Wochenration (für einen Holzfäller) mit feingeschnittenen Rindersteaks. Die Eier, wie auch das Fleisch und der Honig waren augenscheinlich auf deren Farm erzeugte Lebensmittel. Der Ofen in der saukalten Wohnung war schon zum Anzünden vorbereitet und es erforderte von mir nach dem feuchtkühlen Tag redlich Mühe, mich wieder aus der heiße Dusche befreien.


Das erste Bier mit Cola, im Pub des Hotels, passierte die der Nahrungsaufnahme dienenden Organe, ohne die Mundschleimhäute kontaktiert zu haben. Das Essen bestehend aus frischem Fisch, Pommes und Salat sowie auch noch einem Nachtisch (Appelstrudel) wurde von meinem Körper mit dem gleichen Wohlwollen aufgenommen. Im Verlauf des Abends wurde ich doch wenigstens von drei Leuten angesprochen, ob ich der mit dem Fahrrad bin. Weißt noch nicht so recht, wie ich diese Wahrnehmung interpretieren soll. Da das Feuer bzw. die Wärme des Ofens der Metzgerei, zunächst nur zögerlich den Raum eroberte, zog ich mich baldigst ins Bett zurück und die Ober- Unter- Zwischen- Zusatz- und Leinentücher bzw. Decken taten ihr Übriges mich warm zu halten.


 
 
 

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