Von Opunake nach New Plymouth oder dem Taranaki über die Füße
- drehknoepfle
- 19. Aug. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Die weißen Callas wachsen wild an der Straße oder an den Böschungen von Wasserläufen.
Gestern Abend kam im TV die Mitteilung, dass es in einer Familie in Auckland zunächst vier neue Virusfälle gab, ohne dass die betroffenen Personen Kontakt nach außen gehabt haben. Am nächsten Tag ist die Gesamtzahl auf 14 Personen angestiegen. So wurde jetzt für den Großraum Auckland die Stufe 3 und für den Rest des Landes Stufe 2 abgeordnet. Konkret für mich bedeutet das noch keine Reiseeinschränkungen, aber am Supermarkt anstehen. Den Vortag hatte ich mir nach viel Schreibarbeit, unter böigem Südostwind nochmal die Umgebung und die Küste von Opunake angeschaut. Dabei sind mir neue Gestaltungsformen meiner Motosportsfreunde zu Gesicht gekommen. Neben dem Hörerlebnis was sie ihren Mitmenschen in großzügiger Weise schenken, gib es auch noch Nachschlag für die Augen. Wie das funktioniert? Ganz einfach man fährt mit durchdrehenden Reifen durch die gepflegten großzügigen öffentlichen Rasenflächen. Dank dieses kreativen Schaffens entstehen auf den langweilig grünen Flächen, mindestens zweispurige, großflächige, braune Ornamente. Mich erinnert das künstlerische Tun an nächtliche Graphitekünstler oder vielleicht doch nur an Füchse, die mit einem Scheißhaufen ihr Revier markieren. Mit einfachsten Mitteln hatte ich uns den letzten Abend (Teig natürlich vom Vortag) noch einen Apfelkuchen gebacken, den Mike hervorragend mit Vanilleeis zu kombinieren wusste. Und nach 6 Tagen in Alterswohngemeinschaft (Ahlmänner-WG) mit Mike war nun wieder packen angesagt. In den zurückliegenden Tagen hatten wir einen regen Austausch, wobei wir uns gegenseitig Lehrer und Schüler sein konnten. Der Morgen begann wie die Ouvertüre zu einer prachtvollen Oper mit einem bombastischen Sonnenaufgang. Diese Situation war aber nach dem gigantischen Auftakt unmittelbar beendet und dafür zog ein Grauschleier vor die Sonne und verdeckte die Sicht auf den imposanten Mount Taranaki. So hatte mich am Vorabend noch mit Mike beraten, welche Route wohl am Ansprechendsten sein könnte, die SH 45 weiter entlang der Küste oder auf Nebenstrecken quer durch die Halbinsel. Habe mich für Letztere entschieden und Mike meinte wie auch Googlemina, da ist alles flach. War zunächst auch so, als ich dem grauverhüllten Vulkan entgegensteuerte. Laut dem Wiki-Peter stellt der Taranaki sich übrigens nur schlafend und die Wahrscheinlichkeit das er die nächsten 90 Jahre ausbricht, ist sehr hoch. Nachdem die Straße abschwenkte und parallel dem runden Fuß des "alten Penners" folgte, begannen auch die munteren Auf- und Abspielchen von Neuem. Das Ganze ereignete sich inmitten von saftig grünem kuhbepflanztem Farmland. Schon nach wenigen Kilometern, wie zu dieser Zeit üblich, bekundete mir meine Beinmuskulatur ein absolutes Desinteresse an körperlicher Betätigung. Zum Glück hatte sich der Streckenverlauf mit meiner Tagesleistungskurve abgestimmt. Mitten im Nirgendwo bekundete mir Googlemina an einer Straßenkreuzung, bitte der Carrington-Street 28 km folgen. Übrigens haben alle Überlandstraßen, Nebenstrecken soweit ich es mitbekommen habe, einen Namen. Vermutlich geht es damit einher, weil an allen Strecken verstreut Leute wohnen, bzw. Farmhäuser (z. B. mit der Hs. Nr. 2664) stehen.
Mittleres Bild ein hochgradig kreativer Briefkasten.
Letztes Bild ein sich aufdröselnder Farnzweig, hübsch anzusehen aber halt Geschmacksache
oder Tradition ob man sich mit diesem Muster großflächig den Körper tätowieren lässt.
Die Politik scheint darauf ausgerichtet zu sein, dass vermehrt die Begriffe der Erstsiedler Gültigkeit besitzen sollen und so wurde aus dem Mount Egmond wieder der Mount Taranaki. Mir ist von den unterschiedlichen Maoribezeichnungen der Kopf so wirr, dass ich mir meist Ortsnamen erst dann merken kann, wenn ich schon längst weitergezogen bin. Wo man in dem Zusammenhang keine Maorinamen findet, ist an den Türen der Bewohnerzimmer in Altersheimen. Es ist ein No-Go in deren Tradition Familienmitglieder, also aus ihrer Whanau ins Heim zu geben.
Zu Thema Strom bezugnehmend auf das Bild, noch einige Ausführungen von Mike. Der Strom in NZ ist recht günstig und wird vermehrt auf der Südinsel erzeugt. Dort gab es nämlich ein Aluminiumwerk von den Australiern, was wegen der gesunkenen Weltmarktpreise für das Metall dicht gemacht wurde. Für die energieintensive Aluminiumproduktion wurde eigens ein Wasserkraftwerk gebaut, was nun für die Allgemeinheit den Strom erzeugt. Kurz nachdem ich in die ewiglange Carringten Street abgebogen bin, entdeckte ich den geschützten Platz an einem Sheepshelter (Schafschererscheune). Von der Verladerampe aus genoss ich die geschmierten Brote und die herrliche Aussicht über das hügelige Farmland sowie den Pazifik bis hin zum Horizont.
War auch gut so, den Nachschub für das Kommende gebunkert zu haben, obwohl die Lady Gaga oder hieß sie Google, sich arglos stellte. In immer kühner werdenden Aufschwüngen glitt das Sträßchen vor mir her und nötigte mich mit Rennstahl zu regelrechten Klettereinsätzen durch die Ausläufer des Egmont (Taranaki) Nationalpark. Aber bleibe ich doch lieber beim Positiven, wundervoller Urwald zu beiden Seiten der Straße, keine LKW und fast keine Autos mehr.
Zum Thema Auto noch ein Hinweis, die allermeisten Autos in NZ kommen als Gebrauchte aus Japan. Das erklärt auch die Vielzahl an durch die Sonneneinstrahlung verblichenen gesichtslosen Autos. Interessanterweise kommen die hier verkehrenden Autos deutscher Produktion meist auch aus Japan, sagt der Mike. Insgeheim hatte ich noch am Vorabend gehofft, dass ich mich bei meiner heutigen Reise, so richtig von Nahen im Anblick des wunderschönen Vulkanberges suhlen könnte. War aber nicht, weil er sich den ganzen Tag in Wolken hüllte und er erst zum späten Nachmittag hin sein weißes Haupt enthüllte.
Den Höhepunkt meiner Klettertour fand sich in dem Pukeiti Park, ein Ort im Edmont Nationalpark mit ungewöhnlich schönen Gartenanalgen, riesige Rhododendren und gepflegte Rundwanderwegen durch den Urwald. Allein der nassgeschwitzte Rücken verbot mir, länger an diesem Ort zu verweilen. Das zum Park zugehörige Café war heute geschlossen, weshalb mir der heiße Tee wohl versagt bleiben sollte. Eine mitleidsvolle Angestellte der Stiftung eilte jedoch in ihr Büro um mir ein Heißgetränk aufzubrühen. Und so konnte ich in dem allgemeinzugänglichen gediegenen Aufenthaltsraum der sogenannten Lodz, mit reichlich Pflanzenliteratur zugeworfen, den Tee genießen. (Scheine eine Begabung dafür zu haben, auf andere Menschen mitleidserregend zu wirken?! Oder, eine lebhafte Mimik hat auch was für sich.)
Einmal den Zenit meiner Tagesetappe überschritten, ging es zunächst weiter durch den Nationalpark und später durch frisches Farmland, nur noch bergab und das bei einer milde lächelnden Sonne. So hatte ich in meinem neuen Domizil, in Brookland einem Stadtteil von New Plymouth, in der Tarahua Road einen fulminanten Zieleinlauf.
Wiederum mit heißem Tee wurde ich von meiner neuen Airbnb Host (Gastgeberin) der Sheryl freundlich in Empfang genommen. Nach dem zurückliegenden Tagesprogramm und der heißen Dusche hielt ich es geboten, mal wieder aus essen zu gehen. Also schnell aufs Rädchen geschwungen und der Empfehlung von meiner Gastgeberin folgend, ins Städtchen zum Inder geradelt. Googlina führte mich auf meist autofreien Wegen schon im Halbdunkel durch eine gepflegte Grünanlage (Pukekura Park) bis zu meinem Ziel in der Devon Street. Gestärkt an Körper und Geist verließ ich das Restaurant, um meine neue Wohnadresse ins Mobil einzugeben und….. Akku Ende aus vorbei, es hatte sich verabschiedet und ich wusste mich noch nicht einmal auf den Maoristraßennamen meines Quartieres zu besinnen. Da stand er nun der coole Handy-Knöpfle, in New Plymouth im Düstern, vor dem Inder in der Devon Street mit abgesägten Hosenbeinen! Nach einem gescheiterten Versuch den in tiefe Nacht gehüllten weitläufigen Park zu umgehen, suchte ich im Nachhinein, den Erkennungsmerkmale vom Hinweg zu folgen. So erreichte ich einen Countdown Supermarkt von dem ich wusste, dass er in der Nähe meiner Wohnadresse liegen musste. Wider jeglicher männlicher Wesensmerkmale, bat ich den etwas überrascht dreinblickenden Angestellten im Eingangsbereich des Marktes , in sein Mobil schauen zu dürfen (Google Earth) und tatsächlich fand ich den Straßennamen und damit auch meine Unterkunft.




































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