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Von Paraparaumu nach Himatangi

  • drehknoepfle
  • 10. Aug. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Nachdem meine Brocken, anders als zuvor in Wellington ausschließlich sich schon in den Packtaschen befanden, war es nur von kurzer Dauer mich reisefertig zu machen. Allerdings nicht ohne mich auch noch Mal mit meinem Gastgeber Rob angeregt auszutauschen. Er stammt von einer Farm auf der Südinsel und auf meine Frage warum er nicht Farmer geworden wäre erklärte er mir, dass er noch zwei weitere Brüder gehabt hätte. Generell hätte ihm die Arbeit auf der Farm aber schon Spaß gemacht. Ausführlich zeigte er mir, wo die elterliche Farm liegt und wo ich bei meiner Reise auf der Südinsel unbedingt herfahren sollte. Während sein Elternhaus in der Ebene bei Ashburton lag, befand sich die Farm von seinem Onkel (mit schlappen 80‘000 ha Grundfläche), dahinter in den Bergen.


Unendlich traurige herzerweichende Blicke warf mir bei meinem Aufbruch Wannie zu, die ebenso unendlich kuschelbedürftige Hundedame des Hauses. Meine Wegstrecke begann zunächst sehr vielversprechend über Radwege, die mehr oder weniger parallel der SH1 also meiner Hauptrichtung folgten. In diesem Teil meiner Tagestour lernte ich auch noch eine radelndes Paar aus der Gegend kennen, die mich spontan falls ich auf dem Rückweg daher komme, zum Übernachten eingeladen haben. In dem Zusammenhang auch noch mal die Erwähnung der Vielzahl von Begegnungen und Gesprächen mit freundlichen interessierten Menschen die ich immer wieder habe. Sofern man den Blickkontakt mit den Leuten (auch Trucker und Biker) sucht kommt fast immer ein Lächeln, ein Kopfnicken oder freundlicher Wink zurück. Frau Google erwähnte neben den zu fahrenden 80 km nur, dass es vorwiegend flach sei. Beides stimmte aber was sie nicht erzählte, dass der Radweg nach kurzer Zeit abrupt endete und ich mich auf der starkbefahrenen SH1 wiederfand. Meinen Erfahrungswerten folgend war es wieder wie immer, auf überschaubaren angenehmen Abschnitten war der Streifen neben der Seitenlinie bis zu vier Meter breit aber in engen Durchfahrten und über Brücken gab es bisweilen noch nicht mal eine Seitenlinie. Das waren dann auch die Passagen wo gerade die Trucks so dicht an einem vorbeifuhren, dass man sich nicht getraut hätte, auch nur die Nasenspitze übers Seitenprofil hinausstehen zu lassen.


Sollte ich mir wegen solcher Hinweise Gedanken machen? Die Einheimischen haben auf meine Rückfrage hin eher abgewunken, aber das hätten sie wohl auch, wenn man ihnen im vergangenen Herbst etwas von einer weltweiten auch NZ betreffenden Pandemie erzählt hätte. Vielleicht auch vor der Katastrophe, die Menschen an der Küstenlinie bei Fukushima. Es gibt halt keinen anderen sicheren Ort in dieser Welt, als den in den Händen unseres Schöpfers.


Wie ich die Hühner in ihrem Auslauf (nicht wirklich freies Hühnerleben aber schon deutlich besser als Hühnerknast soll heißen Legebatterie) gesehen haben musste ich unweigerlich an das Lied von Blackföss, den Höhnerhoff Rock denken. So muss es sich das Leben vermutlich in chinesischen Metropolen anfühlen. Habe noch nie eine so große Produktpalette bzw. Angebot von verschiedenen Geräten oder Maschinen, von dem namhaften Hersteller aus dem Ländle (Baden-Württemberg) in passender Farbe zu meinen Packtaschen gesehen. Wie schon auf meiner Fahrtstrecke bei Norsewood in Richtung Süden, lockten nun vom östlichen Horizont die Spitzen des Ruahine Forestpark. Ansonsten war die Tagesreise eher unspannend, als das ich euch mit weiteren Ausführungen langweilen möchte.


Anmerkung: Die letzten Scheiben Roggenbrot von der German Bakery aus Wellington. Begrüßt wurde ich in meiner neuen Airbnb Unterkunft von dem englischsprachigen deutschen Zwergschnauzer der Familie. Die hiesige Unterkunft an der Himatangi Beach könnte man auch als Godzillas Matschbox bezeichnen. Ein blauer Seecontainer, der sehr komfortabel mit Badezimmer, Toilette und Heizung ausgebaut worden war. Paul mein Vermieter disponiert im Schichtdienst Trucks die Milch transportieren, weshalb er auch Zeit für Hobbys hat. Eines davon ist Bier zu brauen oder Cidre herzustellen.


Folgerichtig kann man in der Hausbar auf der Terrasse zwischen drei verschiedenen Bieren oder Cidre jeweils frisch gezapft wählen. Damit hat Paul für meine bisherigen Erfahrungen mit Hausbrauern einen Rekord aufgestellt. Der an das Dorf anschließende Strand, ist nicht nur viele Kilometer lang und eben, sondern darf üblicherweise auch durch PKW's befahren werden. Natürlich konnte man auch Menschen treffen die fußläufig unterwegs waren aber die Prämisse ist schon ganz klar, wo ich hinfahren kann brauche ich schon nicht zu laufen.


Abends in der örtlichen “Gastwirtschaft“ wurde ich ziemlich schnell als not local ausgemacht. Eine Dame aus dem Ort gesellte sich zu mir an den Tisch um mir von ihrem aus der Gegend von Hamburg stammenden Großvater zu erzählen, der 1924 nach Neuseeland gekommen ist. Bei solchen Gelegenheiten trifft man auch immer wieder auf weitgereiste Kiwis, die auch mein Herkunftsland im Herzen Europas in positiver Erinnerung behalten haben. Der Sonntag entwickelte sich Mal wieder ganz anders als morgens noch geplant. Mit einer Handvoll anderer gottesdienstbedürftiger Menschen besuchte ich den "Service" um 11 Uhr in der örtlichen Anglikan Church. Die Liturgie des Gottesdienstes folgte so in etwa dem katholischen Muster war aber um vielfaches entspannter. Pastor Ian trug eher einen leichten Bieranzug als ein Messgewand wie katholische Priester, dass tat der Ernsthaftigkeit und Tiefe seiner Handlungen aber keinen Abbruch. Und auch diesmal hatte ich wieder das Gefühl, dass Gott mitten unter uns Menschlein war, Ion wohnt in der Hauptgemeinde in Foxton und weil mir das Städtchen schon wärmstens empfohlen wurde, fuhr ich mit ihm nach Hause. Er ließ es sich auch nicht nehmen mir den Strand in Foxton Beach und danach auch noch die hübsche alte Kirche aus Holz im Ort zu zeigen.



Jesus als der Steuermann eine etwas ungewöhnliche Darstellung aber für die ersten Siedler die mit Kanus oder Segelschiffen hier anlangten eine prägnante Aussage. Danach strebte ich der Holländischen Windmühle zu, die als Museum zu besichtigen war und in der man frisch gemahlenes Mehl kaufen konnte. Für zwei Dollar Eintritt war man frei darin, dass in 2003 gebaute Wahrzeichen des Ortes innen und außen zu bewundern. Hintergrund der Mühle, Foxton war ein Siedlungsschwerpunkt unserer niederländischen Nachbarn. Da verwundert es auch nicht, dass es in der Mahlstube ähnlich aussah, wie in der Selbigen des Mühlenmuseum der Lambertsmühle zu Burscheid, zumal beide von holländischen Mühlenbauern errichtet bzw. restauriert wurden. Allerdings wird der Mahlstein in der Lambertsmühle, der guten Stube von Burscheid im Bergischen Land mit Wasserkraft angetrieben.


Dabei habe ich auch gelernt, dass der Antrieb mit Windmühlen nicht nur zum Getreide mahlen und zur Wasserförderung oder für die Flachsverarbeitung in der Region eingesetzt wurde, sondern auch als Sägemühle. In der Stadt gab es früher mehrere Mühlen zur Flachsverarbeitung. Sie war früher ein Zentrum der Flachsverarbeitung was mit der Herstellung von Ausrüstungen für die Schifffahrt begann. Später wurden dann aus den vor Ort angebauten Pflanzen auch Bodenbeläge und Säcke hergestellt. Mit dem Aufkommen der Kunststoffindustrie war das Ende dieses Industriezweiges besiegelt. Traditionell wurden die Fasern der Flachspflanzen auch schon vorher von der Maoris zu Kleidung, Matten und Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens verarbeitet.



So führte mich mein nächster Weg von der Mühle in Sichtweite zu einem kleinem Museum Schuppen mit dem Thema Flachsverarbeitung. Ein älterer Herr im Rollstuhl nahm sich viel Zeit mir die gesamten Hintergründe der heimischen Flachsverarbeitung zu erläutern. Auf meine ungelenke Frage im Vorfeld, ob man das hier besichtigen könnte kam sein Gegeneinwurf, dass ich hier vor allem etwas lernen könnte. Dann Mal los!


Das Visitor Center wiederum daneben ist eine Mischung aus Bücherei, Infozentrum und Museum. Die Exponate befassen sich mit der Niederländischen- sowie der Maorigeschichte und die Erklärungen waren in Niederländisch, Englisch und Maori abgefasst. Wie bestellt traf ich gegen 16.00 in einem weiteren Museum mit antiker Unterhaltungs- bzw. Kommunikationselektronik auf Sue (falls es so besprochen war hab ich es nicht verstanden), die Dame die morgens den Gottesdienst begleitet hatte und nahm mich wieder mit zurück zu meinem Quartier in Himatangi Beach. Auf der Heimfahrt erzählte sie mir davon, dass sie eigentlich von den Fidschiinseln kommt. Ihre Vorfahren sind aber aus dem Süden von Indien und haben tamilische Wurzeln. Da kann man schon Mal ins Straucheln, wenn man hier jemanden nach seinem Äußeren einer Volksgruppe zuordnen möchte. Neben ihrem mit rollenden Akzent unterlegten Englisch spricht sie Fidschi und Fidschi Hindi.


 
 
 

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