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Von Tutira nach Napier oder Spiesrutenlauf

  • drehknoepfle
  • 26. Mai 2020
  • 6 Min. Lesezeit



Nach dem gemeinsamen Frühstück und einer herzlichen Umarmung mit Nick, wie Freunde das tun, bestieg ich mal wieder mit Wehmut im Herzen mein Rennstahl, um nach Napier aufzubrechen. Wider dem Wetterbericht beschien die Sonne mir beim Aufbruch meinen Weg. Die "Navina" sprach von 51 km Wegstrecke und 311 Höhenmeter mit Steigungen, was nach einer superentspannte Etappe klang. Nachdem ich Nick und der Farm den Rücken gekehrt hatte, machte ich noch einen kurzen Stopp in der Diary von Tutira um die Bordverpflegung zu ergänzen.

Eine Sorge vor meinem Aufbruch nach Neuseeland war es auch, wo bekommst Du Deine Sieben Sachen wieder gewaschen? In Gedanken sah ich mir schon dabei zu, wie ich meine Kleidungsstücke abends neben mein Nachtlager stelle, um andern Tags wieder unter erschwerten Bedienungen, in die mit Inkrustierungen verzierten Selbigen zu steigen. Es hat sich bisher immer wieder wundervoll gefügt, dass ich meine Anziehsachen waschen konnte, was ich schon als großen Komfort sehe.


Mehrere Kilometer weit zog sich meine Wegstrecke auf dem SH2 noch an dem romantischen Tutira Lake entlang. Zunächst mit angenehmen Steigungs- und Gefällstrecken und mit einem komfortablen Seitenstreifen links von der Seitenlinie. Das änderte sich sehr schnell als die Straße schroff abfallenden bzw. ansteigenden Schluchten folgte, scharfe unübersichtliche Kurven beschrieb und sich in daueransteigenden Passagen verengte und windete. So versuchte ich die Kurvenstrecken den Berg hoch in “schnellen“ Sprints hinter mich zu bekommen und erstmalig hielt ich bei jedem Truck an und drängte mich mit meinem Vehicle an die Leitplanken. Tatsächlich hatten die Fahrer oft kaum Möglichkeit mir viel Platz einzuräumen, weil der Begegnungsverkehr (meist Trucks) mit einem Affenzahn die Gefällstrecken runtergeflogen kamen. Eigentlich hatte mich Kerry, die Partnerin von Nick am Morgen beim Frühstück vor den Trucks schon gewarnt und sie hatte weiß Gott nicht übertrieben. Mein Resümee was ich bisher ziehen kann, Neuseeland ist kein Land zum Radfahren, höchstens bei Werbestrategen der örtlichen Tourismusbranche. Zum einen liegt das an den bisweilen sehr schmalen und unübersichtlichen Straßen aber auch zum anderen an der Haltung der motorisierten Verkehrsteilnehmer. Die einem einfältigen Radfahrer bisweilen zu verstehen geben müssen, für wen die Straßen eigentlich gebaut wurden. Und meistens, ist ihnen mit schon fast zwanghafter Demenz, jeglicher Gedanke für den Fußhebel und dessen Funktionsweise neben dem Gas, entfallen. Soll heißen , dass Einzige was zählt ist pures Gottvertrauen oder vermutlich wie Päiviö mein finnischer Erstbegleiter, ein tiefes Zutrauen in seinen zerdengeltes Fahrrad. Irgendwann hatte ich jedoch den Scheitelpunkt meiner heutigen Strecke erreicht und so ging es zwar immer noch auf schmaler Straße, aber mit flotten Tempo meinem Ziel entgegen. Die meist verkehrenden LKW’s sind Holz- und Viehtransporter und so dann und wann, man die einen wie die anderen auch blind am Geruch erkennen kann. Die einen nach frisch geschlagenem Holz und die anderen nach frischgek... Sch…... Sollte eigentlich ein mehrzeiliger Reim werden! Vielleicht klappt's beim nächsten Mal. Zu meiner Rechten, ich war schon fast vorbeigeflogen, sah ich aus den Augenwinkeln noch das Schild, "White Pine Bush Scenic Reserve". Also voll in die Eisen gestiegen und mein gewichtiges Gefährt zum Stehen gebracht. Kerry hatte mir in einem zurückliegenden Gespräch schon von diesem Naturschutzgebiet an meiner Leidens - äh wollt sagen Reisestrecke erzählt.


Mittlerweile bei um die Fünfzehngrad Tagestemperatur, tut man gut daran, nach der Anstrengung vom Aufstieg, seinen Körper vor dem Auskühlen zu schützen. Die großen Informationstafeln und der einladende Wanderweg taten ihr übriges, dass ich Rennstahl schnell und getarnt zwischen Bäumen parkte, um mich auf den Längeren der beiden Rundwege einzulassen.


Der wunderbar präparierte flipflopundhighheels geeignete Weg folgte einem Bachtälchen und war über und über gesäumt war mit alten Bäumen und üppiger überbordender Natur. Der ideale Platz, um sich zum Beispiel an einem hochsommerlichen Tag in den Schatten der Bäume zurück zu ziehen. Und natürlich durften auch hier nicht die Gesangseinlagen der heimischen Vogelwelt (die schrägen Tui's machten wieder einen auf Dreitonkuckuck) und die Stippvisiten der neugierigen Fantails fehlen. Ich liebe sie! Das Einzige was störte war vorzugsweise der Lastverkehr, der mehr als deutlich von der SH2 zu hören war. Es war fast wie im Eifgental bei Altenberg, Burscheid oder Wermelskirchen, wo man sich in wunderbarer Natur wähnt, aber nur mit Stöpsel in den Ohren, weil einem die Selbigen vom Röhren der Hirsche auf den angrenzenden Straßen sonst abfallen würden. Vielleicht ein Unterschied, dass es sich hier ausschließlich um Berufsverkehr handelt, während ums Eifgen meist die Spassdröhnis unterwegs sind.


Als ich an dem Naturschutzgebiet abgekommen war, schob sich unmittelbar eine dicke Wolke vor die Sonne. Nachdem ich mich aber schon wieder auf der Rückrunde befand, feuerte die Sonne mit aller Macht in den Urwald und erzeugte ein unglaubliches grünes Feuerwerk. Von daher noch Mal der Hinweis , wenn ihr selbst in Neuseeland unterwegs sein solltet, einfacher und preiswerter ist nicht an schöne Naturerlebnisse zu kommen.

Als ob man im Schwarzwald das Höllental im Rücken in Richtung Freiburg verlässt, sich dem lieblichen Ort Himmelreich nähert, so öffnete sich in gleicher Weise vor mir das Tal des Tongoio Rivers und eine weite Ebene, welche mich schließlich bis an den Pazifik führte.


Im Hintergrund des ersten Bildes sieht man schon Napier. Auf meinem weiteren Weg durchquerte ich in kurzer Abfolge über ca. 300m zwei enge Brückenpassagen. Das Sensationelle daran, es gab eine radargesteuerte blickende Warneinrichtung Eingangs der Strecke vor Radfahrern. Aber nicht um das hypersensible Weidevieh vor mir zu warnen, was sich normalerweise auf den Weiden beidseitig der Straße tummelt und wenn es meiner Ansichtig wird, in wilder Panik davonstürzt, sondern für die Kraftfahrer.



Es fehlt mir allerdings die Einschätzung, welchen Einfluss dieser Hinweis auf die anderen Verkehrsteilnehmer hat. Vermutlich so viel wie die Schilder, die einen Sicherheitsabstand zu Radlern von 1,5 m vorgeben. Durchaus gewinnt man den Eindruck, dass die motorisierten Verkehrsteilnehmer diese Hinweisschilder schon sehr ernst nehmen, aber eher für den Sicherheitsabstand zur Mittellinie.


Napier und Hastings bezeichnen sich als das Herz der Hawks Bay. Woher der Name Hawks Bay kommt muss ich nochmal eruieren. Die Bezeichnungen Proverty-, Hicks- und Plenty Bay gehen auf die Umsegelung und Kartographierung von Cook zurück.

Mit dem Schluckauf habe ich schon erzählt und die beiden anderen Begriffe wurden von Cook im Zusammenhang mit der Suche nach Trinkwasser und Verpflegung für seinen Mannen geprägt. In der Poverty (Armuts) Bay gab es nichts zu holen ( vermutlich hatten der Countdown und Pak‘nSave Supermarkt in Gisborne zeitgleich geschlossen, heutzutage kann man in beiden sieben Tage die Woche einkaufen) Ja und selbst erklärender Weise gab es in der Bay of Plenty für die Schiffsbesatzung reichlich einzukaufen. Die v. g. Formulierung zeichnen Cook wohl eher als Pragmatiker aus, als dass man ihm für seinen Wortschöpfungen besondere Kreativität oder Phantasie bescheinigen könnte. Die Nase zeigte weiter nach Süden, während mir die nachmittägliche Sonne, Rücken und rechte Schulter beschien und Rennstahl auf breiten komfortablen Wegen, wie auf Schienen dem Tagesziel Napier entgegenrollte. Zu meiner Linken der Küstensaum der schon erwähnten Hawks Bay. Zwischendurch muss ich jetzt noch einen kurzen Werbeblock schalten, nämlich für Rennstahl. Irgendwann sollte ich dem 20‘000,- OBD (Oberbayrische Dollar) Werbevertrag mit der Münchener Fahrradmanufaktur nachkommen. Wie in der Werbebranche üblich drehen ich jetzt Mal den Ton was lauter und ab geht's! Das Rennstahl hat sich bisher auf den zurückliegenden Bergpassagen, den Gravelroads, den Schlaglöchern und so weiter hervorragend gehalten und außerdem nie versucht sich der dauerüberfüllten Packtaschen zu entledigen. Das muss doch mal gesagt werden! Töröm-tömtöm-ratatatah und jetzt geht es weiter mit der Geschichte.




Wie auch schon in Gisborne, über von Ostplantagen jeglicher Art gesäumte Straßen, gelangte ich nach der (60000 Einwohner) Stadt Napier. Auch sie macht unter anderem von sich Reden durch den dort angebauten Wein und die vielfältigen Obstbauanlagen.


Wie zu Beginn meiner Reise, suchte ich in Napier das in schönster Strandlage befindliche Visitor-Center auf, um mich nach einer Unterkunft für die kommenden Tage zu bemühen. Fünfhundert Meter weiter hatte ich mir ein Zimmer mit Blick auf den Pazifik gegönnt. Das Praktische an dem Motels sind die kurzen Wege zum Zimmer. Und auch hier gab es wieder eine kleine Küche, Kühlschrank, Geschirr und wer es mag Microwelle. Berenice die freundliche Chefin (ihr Vater ist Niederländer und hat auch schon in Sindelfingen beim Daimlerle g‘schafft (schwäbisch für bei Mercedes gearbeitet) und die Mama ist Portugiesin) hat mir sogar geholfen meine Gepäckstücke in die erste Etage zu tragen. Danach durfte ich ihren Mercedes Geländewagen besichtigen, wobei sie sich bei dieser Gelegenheit ausführlich und sehr lobend über die deutsche Automobilindustrie bzw. deren Produkte ausgelassen hat. Im örtlichen Countdown Supermarkt gelang es mir (anstellfrei trotz Covid 19- Repressalien), mich mit Verpflegung für die kommenden Tage und drei Dosen Appelcider, ihr wisst schon wegen der Mehlstauballergie zu versorgen. Wäre ich Cook, hätte ich danach die angrenzende Buch "So much food und drink Bay" genannt. Aber mich fragt ja keiner!



 
 
 

1 Kommentar


indiorosi
31. Mai 2020

Lieber Christoph! Nun hoffe ich, dass es klappt, dass meine Nachricht dich auf deinen Block erreicht. Dank meiner Nichte! Ich hatte wohl die Anmeldung nicht vollständig abgeschlossen gehabt. Tja, man lernt eben nie aus...

Das war schon ganz schön gefährlich, deine Fahrt nach Napier, mit der Enge und den vielen Trucks! Da hatte dein Schutzengel beide Hände voll zu tuen!!

Schade, dass es keine Umgehungsstraße gab...

Deine Fotos von diesem Naturschutzgebiet "White Pine Bush" sind super - einzigartig dieses Spinnennetz! Wirkte es nur auf dem Bild so kräftig und groß oder gibt es dort auch etwa Vogelspinnen? Musste bei dem Foto schmunzeln bei der Vermessung des riesigen Baumes per deiner diagonalen Haltung - war sicher nicht einfach..

An irgend einen…


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