Von Waipawa nach Norsewood oder schon wieder Gegenwind
- drehknoepfle
- 14. Juni 2020
- 4 Min. Lesezeit
Nachdem Sonya mir noch geholfen hat, die nächste Unterkunft über Airbnb zu buchen, habe ich Rennstahl in strahlenden Sonnenlicht vor meinem Quartier aufgerüstet. Da ich mir am Vortag den Rücken verrissen habe, war es mir zunächst überhaupt nicht so selbstverständlich, mich wieder auf den Weg zu machen. Vermutlich hat die Salbe, die mir Sonya auf den Rücken geschmiert hat, die Medikamente und vor allen Dingen die Anteilnahme und das Gebet aus Leverkusen geholfen. Zumindest konnte ich mich, nach dem durchgeregneten und durchgestürmten Vortag, bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen meinem nächsten Ziel zuwenden. Bei ca. 15-20 Grad Tagestemperatur, wurde die kurze Radlerhose wieder aus dem Untergeschoss meiner Packtaschen gekrammt, während ich Oberkörper und im Besonderen den Rücken dreilagig verkleidete. Sonya schmierte mir noch sinnvolle Verzehrgegenstände zur Durchführung einer Vesperpause und so war incl. Wasserflaschen für alles gesorgt. Die Rede im Navi war von 50 km und 367 Höhenmetern, was ja eine sehr entspannte Tour zu versprechen schien. Der SH 2 folgend durchquerte ich Waipawa und danach Waipukurau um aber dann der Porangahau Road, einer 15 Minuten längeren Strecke außerhalb des SH2 zu folgen. Wie vermutet war der Verkehr deutlich geringer, aber zur absoluten Spassbremse wurde der Wind, der mir böig ins Wind Gesicht blies. Und so wurden die prallgefüllten orangen Segel an meinem Rad noch zusätzlich durch den Gegenwind gebläht. Durch sattgrüne Hügellandschaften übersäht mit Kühen schlängelte sich die Straße und durch die Berge im Hintergrund wirkte das Ganze wie ein Bild aus dem Alpenvorland.
So wäre ich auch nicht verwundert gewesen, wenn der kleine Bär aus der Bärenmarkewerbung mit seiner Milchkanne im Arm, irgendwo an einer Straßenecke gestanden hätte.
Ein einer Wegekreuzung hatte ich mich für eine kurze Pause in die Sonne gesetzt, als ein schicker Fendt Traktor neben mir hielt. Hatte ihn schon vorher beobachtet, wie er die vollkommen verwahrlosten mindesten fünf Zentimeter lang wuchernden Gräser neben der Straße auf unter Streichholzlänge einkürzte. Der freundliche Straßenbankettbearbeitungstechniker gab mir dann auch den Tipp, das hochherrschaftliche Farmhaus in Sichtweite zu besichtigen.
Also Mal schnell dreihundert Meter zu dem sehr repräsentativen Farmhaus geradelt und vorstellig geworden. Tatsächlich war es gar kein Museum sondern ein sehr gediegenes privates Wohnhaus. Und weil ich vielleicht so freundlich gefragt und der Schlossbesitzer deutsche Vorfahren aus Vorster in Ostdeutschland hat, wurde ich eingelassen. Nachdem ich mir die Räume angeschaut habe, bekam ich von Peter dem Eigentümer auch noch eine Tasse Tee und einen Muffin ausgegeben. Dabei erzählte er mir auch, dass er das Haus und Anwesen als Dornröschenschloss gekauft habe und zeigte mir entsprechend ernüchternde Bilder. Nach dem unterhaltsamen Gespräch und der kurzen Teepause radelte ich wieder weiter.
Zu meiner Linken tat sich vor Takapau ein Golfplatz auf und so musste ich an das gemeinsame Spiel mit Dave in Wairoa denken. Am Abschlagpunkt brachte sich gerade der Hmhmhm Hansen in Position und natürlich kam auch fast unmittelbar eine angeregte Unterhaltung zustande. Ist auch nicht schwer so unter Golfern. Der Golfclub von Takapau ist schon über hundert Jahre alt. Sein Großvater stammt wie viele andere Leute hier aus Skandinavien, genauer gesagt Dänemark
So erzählte er mir auch von seinem Besuch in Deutschland anlässlich der Rugbyweltmeisterschaft in Frankreich. Alles schön sauber und ordentlich, lecker Essen und lecker Bier. Ja wenn das so ist, dann will ich mir das doch auch anschauen. Irgendwann schloss die von mir gewählte Nebenstrecke wieder mit der SH2 auf und so hatte ich erneut die Möglichkeit, das Fahrverhalten neuseeländischer Kraftfahrer zu studieren. Vermutlichen wurden in früheren Zeiten, in NZ statt weißer Mittelstreifen Nagelbretter in die Fahrbahnmitte eingelassen, anders ist der sorgfältig gepflegte Sicherheitsabstand (zum Mittelstreifen statt zu Radfahrern) nicht zu erklären. Das letzte Stück meines Weges führte mich die Tante Google so besch.... im Kreis herum, dass mir nichts anderes übrigblieb, als meine neuen Gastgeber von einem anderen Hof aus anrufen zu lassen. Irgendwo im Niemandsland sammelte mich Penelope die Farmersfrau ein und verbrachte den durch den ständigen Gegenwind Ermatteten samt Rad zur Te Miro Farm. Sie erzählte mir dann auch, dass die Tante die Te Miro Farm nicht kennt. Beim Gespräch am Abendessen erfuhr ich schon wieder ungeheuer viele neue Dinge, diesmal über die Landwirtschaft in NZ. Etwa 90% aller Milchbauer melken ihre Kühe nicht rund ums Jahr, sondern machen eine Winterpause. In dieser Zeit sind die Kühe üblicherweise gedeckt und trächtig. Die selbe Verfahrensweise habe ich auch schon bei Christiane auf einer Ziegenalm im Tessin mitbekommen. Ein Vorteil für den Bauern bzw. die Familie, dass sie aufgrund des geringeren Arbeitsanfalles auch Mal wie andere Leute in den Urlaub fahren können. Und so ist für die ganzjährig auf den Weiden gehaltenen 300 Milchkühe zurzeit nicht ganz so viel zu tun. Weiß nicht heißt, dass die gesamte Logistik drumherum auch einer kontinuierlichen Betreuung bedarf. Wusste noch beim Abendessen zum Thema Kuhmist beizutragen, dass Schwemmmist aus Holland in Tank-LKW’s meist Nachts auf niedersächsische Felder exportiert wird. Darauf hin meinte der Bauer, dass die Farmer mit niederländischen Wurzel hier in Neuseeland auch dafür verschrien sind, zu viele Milchkühe bei zu wenig Landfläche zu halten. Brians Kühe werden nur einmal am Tag gemolken und zwar am Morgen. Dazu meinte er das die Milchliefermenge schon etwas geringer wäre aber auch die Kosten und so hätte man doch mehr Zeit sich mit seinen Kindern zu beschäftigen. Ein Thema waren auch die unterschiedlichen Abstammungslinien der Hofleute, die nach Schottland, England, Skandinavien und nach Deutschland führen. Da die Bauersleute nötiger Weise Frühaufsteher sind, gehen sie zeitig zu Bett und so zog auch ich mich in mein Hütchen aus den vierziger Jahren zurück.


































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