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Von Whangamomona nach Taumarunui oder aus dem Nowhere zurück ins Leben

  • drehknoepfle
  • 7. Sept. 2020
  • 4 Min. Lesezeit


Da muss man zumindest als Radfahrer schon Mal was einhalten können. In Ermangelung von Gastgebern, von denen ich mich hätte verabschieden können, bin ich noch mal zu dem gleichnamigen Hotel um mich für guten Speisen, Getränke und das WiFi zu bedanken. War auch in der funknetzfreien Region die einzige Möglichkeit das Navi ans Laufen zu bekommen. Trockenes Wetter mit vereinzelten Sonnenflecken und schon wieder an die 90 km mit vielen Steigungen vor der Brust. Die neuseeländische Schafswelt reagierte wieder so, wie ich‘s schon gewöhnt bin. Nämlich genauso wie die Besucher der Schildergasse in Köln, wenn Ihnen der knochengerippige Tod, zähnefletschend und sensenschwingend auf einem schwarzen Friesen, mit rotglühenden Augen, von fauligen Schwefeldampf umwehten Nüstern und feuerschlagenden Hufen entgegengaloppiert käme.


Apropos Sensenmann, sehr amüsant am Straßenrand der Hinweis auf eine Raucherfarm, bzw. darauf das CO² die Atemluft der Pflanzen ist. Habe in diesem Zusammenhang ja schon Mal erwähnt, das rauchen in NZ in der Öffentlichkeit ziemlich verpönt ist. So wird darauf ähnlich reagiert, als ob man in einem Dreisternerestaurant sein mitgebrachtes Wurstbrot am Tisch auspackt. Zigaretten als auch Alkohol sind in NZ relativ teuer, was wohl mit dem selbsternannten Erziehungsauftrag der Regierung zu tun hat, das Rauchen ganz von der NZ "Must do Liste" der Suchtprobleme zu streichen und das Alkoholproblem zu begrenzen. Wenn sich Kinder in einem KFZ befinden darf z. B. darin nicht geraucht werden. Bei der Gelegenheit musste ich an meinen Papa denken, wie er neben mir in meinem orangen R4 saß und missmutig den Nichtraucheraufkleber ihn gegenüber an der Windschutzscheibe musterte. Bier kann man in größerer Menge nur in 0,3 oder 0,25 Liter Gebinden als 6- 8- oder 10 Pack als Einweg kaufen. So sind die kleinen Getränkeflaschen entlang der Straßen oder manchmal ein kompletter Pack (vermutlich geleert), ein regelmäßiges Bild so seitlich im öffentlichen Straßenland. Dafür weniger wie bei uns die ausgekippten Aschenbecher aus den Autos z. B. vor Ampelanlagen. Unser Mehrweggetränkeflaschensystem scheint mir in diesem Zusammenhang schon eine gelungenere Lösung.

Mit dem Erziehen wollen ist er hier vermutlich ähnlich wie in der deutschen Politikszene, in deren Schatten sich Unmengen von ehemaligen Pädagogen tummeln. Ausdrücklich wird hier an Theken bisweilen darauf verwiesen, das an "intoxicated persons" kann Alkohol ausgeschenkt wird. Eine Herleitung zum Wortstamm Sucht ist Suche oder vielleicht Suchender. So denke ich, dass Süchtige nicht nur traditionell in der Drogenszene zu finden sind, sondern überall dort wo es Menschen gibt. Der Königsweg oder die Herausforderung ist es an die Wurzeln zu gelangen, aus denen eine zwanghafte Verhaltensweise, sprich Sucht erwachsen ist. Dabei möchte ich mich selbst von den v. g. oberlehrermäßigschlauen Formulierungen nicht ausnehmen.




Im weiteren Verlauf des Forgotten Highway 43 verstand ich auch die Bedeutung des Beinamens. Die haben vergessen, der Straße einen festen Belag zu verpassen. So polterte ich dann weiter, bis ich in einem extrem bornierten und nur mit losem Geröll bedeckten Straßenabschnitt von der Ideallinie abkam und im Graben landete. Bei solchen Teilbereichen hat Gegenlenken nur den unmittelbaren Verlust der Bodenhaftung zur Folge. In Fallschirmspringermanier gelang es mir mein Gefährt und auch mich selbst zu entschleunigen. Mal was volkstümlicher ausgedrückt, bin voll auf die Fr….. geflogen aber ohne tiefergehend an Körper oder Material Schaden zu nehmen. Als Ästhet muss ich aber auch zugeben, dass der Grawelroad wenn überhaupt viel besser zu dem wildromantischen engen Flusstal passte als so eine geleckte Straße. Die Landschaft erinnerte mich stark an die Tour im Ruahine Forest wo ich viele Kilometer neben und auch durch die Wasserwege gewandert bin. Zwischendurch verlief die Straße auch parallel mit einer stillgelegten Bahnlinie. Wie auch seinerzeit in Deutschland in den Siebzigern wurden viele Bahnstrecken und öffentlicher Nahverkehr, dem Individualverkehr geopfert.



Die Truthähne und -damen waren gerade in Frühlingslaune. Erklärtes Ziel des damaligen deutschen Verkehrsministers, jedem Dorf seinen Autobahnanschluss. Diese Politik klappte aber auch nur solange, wie man die Scheichs auf seiner Seite hatte.



Zwischendurch auch Mal sehr dekorativ das Fortkommen im einspurigen Untertagebetrieb. Ohne die forgottene tiefenentspannte Verkehrslage hätte ich da sonst hohe Not gehabt, den unbeleuchteten und nur minimalistisch ausgebauten Tunnel, heil zu passieren. Irgendwann formte sich der Grawelroad unter meinen Reifen wieder zu einem festen Straßenbelag und damit ließ ich auch die Urwälder hinter mir. Wieder öffnete sich weitläufiges Farmland, sorgfältig mit dem grünen Teppich und den hübschen Schäfchenmustern (auch ganz kleine Schäfchen) belegt. Und wieder am Saum der Straße, die sehr sehr vereinzelt auftretenden kleinen Farmhäuser. Augenscheinlich, zu den schon über den Winter blühenden Pflanzen gesellten sich um die Farmhäuser eine Vielzahl weiterer Frühjahrsblüher. Meine Oberschenkelmuskulatur vermittelte mir Dank Luke‘s Stretchingübungen (der Osteopath in New Plymouth) weiterhin das Gefühl allem gewachsen zu sein und spielte freudig auf. Die letzterklärte Übung (gleichzeitiges Dehnen von vorderer und rückseitiger Oberschenkelmuskulatur im Wechsel) von ihm, hat's wirklich in sich. Weil ich dabei aber nicht anders als schmerzverzerrt schauen kann, will ich Euch mein Selvi von dieser Pose ersparen.



Wohlwissend um die langatmige Tagesetappe war ich sorgsam bedacht, mit meinen Kräften zu haushalten. Als jedoch die letzten 20 km anbrachen, ohne auf weitere mühselige Aufstiege zu verzichten, schaltete ich bei den steilsten Anstiegen Rennstahl wieder in den Schiebmodus. Wie ich gegen 17.00 dann mein Airbnb-Cottage erreichte, war ich nur noch froh und erleichtert. Nach der schon rituellen Dusche und einer Durchsicht der noch vorhandenen Lebensmittel, entschied ich mich dafür selbst zu kochen, meinem Körper (Beinen) jegliche Bewegung zu ersparen und Ruhe zu verordnen.


Apropos "Verordnen", das gemütliche Häuschen wurde vor hundert Jahren für einen Anästhesisten gebaut, der im nachbarschaftlichen Krankenhaus gearbeitet hat. Besonders erwähnenswert wie praktisch, geschmackvoll und umfassend die Einrichtung von Ann der Vermieterin gestaltet wurde.

 
 
 

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