Von Whanganui nach Manutahi
- drehknoepfle
- 11. Aug. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Aug. 2020
Nachdem ich mich morgens fast mühelos der Hängematte bzw. dem Bett entwunden hatte, war der Tag schon fast gewonnen. In den angebotenen Häusern bei Airbnb wird immer wieder auch von Kingsize Betten gesprochen, also letzteres Bett gehört sicherlich nicht zu dieser Kategorie. Auch noch erwähnenswert, da es für gewöhnlich nicht so kalt ist, entbehrt der neuseeländische Wohnungsbau jegliche wärmedämmtechnischen Vorgaben wie sie in Deutschland Standard sind. Klassischer Weise sind die meist einfachverglasten Fensterscheiben morgens flächendeckend mit Kondenswasser versiegelt. Und auch die warmen dicken Steppdecken wie bei uns üblich haben hier, soweit für mich erkennbar keine Tradition. So behilft man sich mit elektrischen Heizdecken und mehreren Lagen von dünnen Zudecken. Ein weiteres aber lösbares Problem, die unter der Matratze eingeschlagenen Zudecken, die einem die Füße zu einer unangenehmen Schwimmhaltung aufbiegen.
Der Wetterbericht hatte sonniges Wetter mit schütteren Wolken bekundet und die Googlina ca. 80 km überwiegend flache Fahrtstrecke. Letzteres stellte sich schon nach kurzer Zeit als grobe Lüge heraus, begann mein Weg aus der Stadt schon mit einem kräftigen Anstieg. Brian ein älterer Herr im Rollstuhl hielt mir beim Verlassen des Exseniorenheim die Tür auf und befahl mich dem Schutz des Allerhöchsten an. Eine Geste bzw. ein Segen den ich sehr gerne angenommen habe. Auch wenn alles ein wenig seltsam wirkte in dem scheinbar menschenleeren weitläufigen Gebäude, so wurde ich von den Menschen die ich getroffen habe mit viel Freundlichkeit bedacht. Und die behindertengerechten Sanitäreinrichtungen waren auch deutlich komfortabler (weil geräumiger) als in den meisten Bagpacker-Hotels.
Die Poie sind ausgepolsterte Kugel mit Bändel dran und werden bei den traditionellen Maoritänzen von den Damen sehr ästhetisch geschwungen. Da fuhr ich nun entlang der SH3 die in saften und bisweilen auch unsanften Auf- und Abschwüngen der Küstenlinie folgte. Und wieder öffnete sich mir zu beiden Seiten der Straße weitläufiges Farmland. Dazwischen taten sich jähe tiefe Einbrüche auf die aber wie das andere Land von Weidevieh bevölkert waren. Das Straße war weniger befahren und verfügte meist über einen großzügigen Seitenstreifen. So bestand auch wenig Veranlassung einen meiner kraftvollen alemannischen Ausdrücke hinter den anderen Verkehrsteilnehmern her zuschreien. Sicherlich fragt ihr Euch wie ich an einen solchen Wortschatz gelangen konnte. Vermutlich bin ich in meiner vorindustriellen Jugend auf dem Nebenerwerbshof meiner Eltern, Mal in schlechte Gesellschaft geraten. Wird diese Floskel nicht auch benutzt, wenn die Kinder nicht so machen wie ihre Eltern sich das gedacht haben? Abgestraft wurde ich aber noch für meinen Kaufrausch am Abend der Ankunft damit, dass ich nun die nicht verbrauchten Nahrungsmittel weiter mitführen musste. Mit dem Monat August ist nun der zweite neuseeländische Wintermonat angebrochen. Wenn man von ein paar einzelnen Bäumen absieht, die ihre Blätter verloren haben, grünt und blüht es an allen Ecken. Lediglich an einzelnen Blüten der Magnolien-, Kamelien- oder Rhododendronbäumen erkennt man bisweilen, dass sie in sternenklarer Nacht eiskalt erwischt wurden. So besteht von den Temperaturen abgesehen keine oder wenig Veranlassung den Sommer in Deutschland zu vermissen.
Letztes Bild sehr beruhigend für das radelnde Volk, eine Stelle an der sich die Trucks mit Weidevieh planmäßig erleichtern dürfen. Auf einer Anhöhe bekam ich neben den weiten Ausblicken auf den Pazifik zur Linken, dann auch in der Ferne eine weiße Zipfelmütze zu sehen. Die Mütze gehört dem Mount Taranaki einem Vulkanberg der sich imposant aus dem flachen Küstenland erhebt und die Ausbeulung im westlichen Küstenverlauf der Nordinsel mit verursacht hat. Es lohnt sich bei Peter Wiki (oder heißt es Wikipedia) reinzuschauen und die Details über den Berg der früher auch Mount Egmont hieß nachzulesen. Auf der Wegstrecke musste ich auch noch Mal an Stan denken, der radelnde junge Mann von der Südinsel. Wie schon erwähnt hatte er an der Stelle wo sich bei mir der Packsack für Zelt, Schlafsack und Isomatte befindet ein riesiger Teddybär sitzen. Vielleicht soll der Bär wie die Aufkleber, “Baby an Bord“ oder “Chantale unterwegs“ signalisieren, da ist was wo man ganz besonders aufpassen muss. Um den neuseeländischen Kraftfahrern zu suggerieren, halt Abstand da kommt jetzt gleich ein kleines Kind hinter seinem Ball, auf die Straße gelaufen.
Zum Stichwort Teddybär fallen mir die teilweise voluminösen Kinderspielgefährten ein, die einem auffallend oft aus den straßenseitigen Fenstern der Wohnhäuser zuwinken. Manchmal ist es auch eine lebensgroße Schaufensterpuppe, die einem scheinbar angeregt bei seinem Tun beobachtet. Vermutlich will man damit ungebetenen Gästen zum Ausdruck bringen, du bist gesehen worden. Sicherlich erzähle ich keine Geheimnisse, dass man hier schon mit einem kräftigen Hustenanfall die Haustüre aufbrechen kann. Falls Fenster und Türen (in Leichtbauweise) verschlossen sein sollten, kann man immer noch ein Loch in die Wand sägen.
In Waferley legte ich einen Pausenstopp in einem Café ein. Meist bekommt man vergleichbar einem Kiosk auch Kaltgetränke und Süßigkeiten zu kaufen sowie kleine warme Mahlzeiten und natürlich Kuchen und Heißgetränke. Zwei Kännchen Tee und eine leichte Mahlzeit weiter, folgte mir die schwarze Katze des Hauses noch vor die Tür und bis zu meinem Rad, vermutlich um sich für die erhaltenen Streicheleinheiten zu bedanken.
Nach eineinhalb Stunden weiterer Fahrt, wurde ich dann sehr freundlich in meiner neuen Unterkunft bei Cathrin und Howard aufgenommen. Das ehemalige Hotel mit Gaststätte und einigen Übernachtungsplätzen für Camper hinter dem Haus machte nicht mehr den frischesten Eindruck, aber das wurde allemal wettgemacht durch die Gastfreundschaft der Herbergseltern. In einer Art Atrium befand sich ein Spa-Bad, dass ich nach der wiederum anstrengenden Fahrt gerne aufsuchte. Gerade als mir aus meinen vorhandenen Lebensmittel gedanklich ein Essen zusammenbastelte, wurde ich aufgefordert zum Abendessen zu kommen, das mit einem gemeinsamen Gebet begann. Dabei ist noch zu erwähnen, dass es bei dem Ort um eine Art Weiler handelt ohne Möglichkeit etwas einzukaufen oder Essen gehen zu können.
Wie ich aus dem abendlichen Austausch erfuhr, sind meine Gastgeber Mitglieder einer christlichen Gemeinschaft, die sich Versammlung bibelgläubiger Christen nennt. Howard ist neben seiner Schichttätigkeit in einer Milchfabrik künstlerisch tätig. Mit aufwändigen Maschineneinsatz, Phantasie und Geschmack gestaltet er in der ehemaligen Gaststube prachtvolle Patchwork Decken, Bilder oder Gebrauchsgegenstände wie Schürzen usw.. Das Paar mit dem weiten Herzen erzählte mir auch von ihren drei adoptierten Kindern und das eine der Töchter einen leiblichen deutschen Vater hätte. Der hat einzig seine Samenflüssigkeit hier in Neuseeland zurückgelassen.






































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