Windkanal oder von Picton nach Blenheim und St. Arnaud
- drehknoepfle
- 8. Dez. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Die vergangenen Tage und Wochen erfordern gerade ein Übermaß an Kommunikation bzw. Schreibtätigkeit so habe ich in diesem Artikel zwei Reisetage zusammengefasst. Wenn auch im Nieselschauer und wolkenverhangen, verließ ich zur Mittagszeit den Ort mit dem Fährhafen, den ich nun für alle Zeit mit Anakiwa und OB verknüpf habe, mit einem Gefühl von Wehmut. Vor Wochen auf der Fähre von Wellington nach Picton hatte ich Gordon mit dem grünen Mountainbike kennengelernt. Beim Abschied hatte er und seine Frau Erika mich spontan zu sich eingeladen und dieser Einladung wollte ich nun nachkommen. Zweieinhalb Stunden Fahrzeit zu den Beiden in der Nähe von Blenheim waren sicherlich auch ein entspannter Wiedereinstieg in die Reisetätigkeit.
Nach moderaten Anstiegen folgte die Straße einem weitläufigen feuchten Tal. Schon bei Outward Bound habe ich viel von der herrlichen Landschaft der Südinsel gesehen und das setzte sich nun auch fort. Eigentlich reichte es schon sich diese wild zerklüftete Region der Westküste auf der Karte anzuschauen, um eine Idee von deren Natur zu gewinnen. Unterwegs gab es auf einem Obsthof die ersten Kirschen der Saison zu kaufen, die ich für ein passendes Gastgeschenk hielt. Erika und Gordon wohnen auf einem großen ländlichen Anwesen, welches umringt ist von Weingütern. Neben Rindern, Pferden und anderem Getier gibt es auch eine Anlage mit Olivenbäumen aus deren Ertrag das Paar ihr eigenes Olivenöl pressen lässt. Gordon zeigte mir das ganze Anwesen und erzählte mir auch viel zu der Historie. Und wie immer fand ich es hochinteressant, einen Einblick in die diversen Lebensstile der Kiwis nehmen zu dürfen. Trotz der herzlichen Einladung der Beiden auch mehrere Tage bei ihnen zu bleiben, zog es mich schon den nächsten Tag wieder auf die Landstraße. Eindringlich hatte mich Gordon morgens noch auf den vorherrschenden Westwind verwiesen aber was oder wer wollte mir als erfolgreicher Absolvent des Outward Bound Masterkurses, noch trotzen. Die Challenge (Herausforderung) des Tages begann unmittelbar und sobald ich auf die SH 68 in Richtung Westen einbog. Gepflegte meist ebene Straße, wenig Verkehr, links und rechts der Straße weitläufige malerische Weingüter, die das Tal des Wairau eingrenzenden beweidete oder bewaldete Berge, moderate Temperaturen und von vorne heftigsten Gegenwind. Es war schon Mittagszeit als ich den Ort Wairau Valley, nach gerade mal 15 km erreichte. Um sich so energietechnisch gegen das noch Kommende zu wappnen, bestellte ich mir im örtlichen Pub einen fettigen Burger einschließlich eineinhalb Liter Cola. Danach schwang ich mich wieder auf Rennstahl, um mich aufs Neue in den Windkanal zu stellen. Wie schon einmal musste ich auf ebener Strecke in die niedrigsten Gänge schalten und am Liebsten hätte ich mich in den Straßengraben gesetzt und ein Stündchen geheult. Nützt aber nichts, weil man damit keinen Meter vorwärtskommt. Beim Segeln durch Abwesenheit und jetzt heftig ins Gesicht vermittelt mir der Wind in NZ , dass er nicht auf meiner (Rück) Seite steht.
Vielleicht noch eine Erwähnung zu den Weingütern, auch dabei machen die Kiwis keine halben Sachen.
Da werden Mal eben ein paar Wälder mit Kiefern gerodet und nach vorhergehenden Bodenanalysen stattdessen hektarweise Weinreben angelegt. Fast jegliche Arbeiten an den Rebstöcken werden mit den Erfordernissen entsprechenden Maschinen bewerkstelligt.
Späten Fröste wehrt man mit Propelleranlagen, die in dem Fall flächendeckend montiert für Zirkulation sorgen. Ansonsten sind die “chemischen Keulen“ allgegenwärtig unterwegs.
Zu Gordon gewandt habe ich über die von mir bisher verkosteten neuseeländischen Weine gesagt, dass sie gut zu trinken sind, es ihnen aber an Liebe fehlt.
Durch die herrliche Landschaft von Marlborough und das Wairautal quälte ich mich nun auf ebener Straße Stunde um Stunde vorwärts. Für diesen Kraftakt reichten nicht Kondition und eine trainierte Beinmuskulatur allein, sondern nur ein Übermaß an Willensstärke. Irgendwann schloss sich das Tal und die Berge rückten zusammen, während die SH 68 unsanft auf einen Bergsattel gehoben wurde. Schon gegen Abend schlossen Wälder zur Straße auf und in sanften Schwüngen, ging es St. Arnaud entgegen. Was mir bis auf die letzten Meter vor Erreichen der von mir angemieteten Bach (Hütte) erhalten blieb, das war der Gegenwind. Nachdem ich mich vorher vergewissert habe, dass mir auch keiner zuhört kam ich zwischendurch nicht umhin, einmal wild gegen den Wind anzubrüllen, du kriegst mich nicht kaputt, du nicht. Ha!!!
Nicht nur wegen den Strapazen der Anreise hatte ich mich für mehrere Tage in der von weiteren Ferienhäusern umgebenen Bach niedergelassen. Nach den vollen Programmtagen der vergangenen Wochen, wollte ich in der Abgeschiedenheit wieder zur Ruhe kommen, schreiben oder Mal wieder ausgiebig mit meiner Partnerin Martina skypen. Außerdem befand sich auf der anderen Straßenseite ein kleine Kapelle mit traumhaften Seeblick, die sonntags um 10.30 Service für Christen jeglicher Couleur anbot.
Es gibt weiß Gott schäbigere Orte um dem Schöpfer die Ehre zu geben. So begrüßte mich am Eingang der Kapelle Joc, der schon 90 Jahre Lenze zählt, während seine Frau Leoni in den Achtzigern den Gottesdienst leitete. Nach einem besinnlichen Gottesdienst und gemeinsamen Mittagessen in der örtlichen Taverne, luden mich die Beiden dazu ein sich ihre Milchfarm anzuschauen. Die Farm hat 600 ha an Weideflächen, 750 Milchkühe und der Manager ist ein Enkelsohn von Joc. Gemolken werden die Kühe in einem Karussell mit 55 Steh- bzw. Melkplätzen. Mit Beendigung der Kreisrunde ist auch üblicherweise das Euter der Kühe geleert. Da den Damen beim Melken Sahneschnittchen (Kraftfutter mit Mais) gereicht werden, ist das Gedrängel darum als erste Kuh gemolken zu werden immer riesengroß. Und nach Beendigung der Runde, auch das Bedürfnis der Damen sehr ausgeprägt, sich im Rahmen einer zweiten Karussellfahrt noch einen Nachschlag zu holen. Auf dem Hof arbeitete gerade auch eine junge Frau aus Augsburg, die von ihrem bis zu 16 Stunden Arbeitstag erzählte. Nichtsdestotrotz machte der gelernten Hörgeräteakustikerin die Arbeit auf der Farm und mit den Tieren sehr viel Freude.
Joc erzählte mir, dass sein Großvater das Land von Hand (ohne Fichtenmoped=Kettensäge) gerodet und urbar gemacht hätte. Neben den Bergen rundherum ist die Attraktion des Ortes der Lake Rotoiti. Ein wunderschön gelegener Bergsee aus dem sich der Wairau speist und den die Gletscher irgendwann zurückgelassen haben. Neben dem hochinformativen Visitor-Center, mit einer unglaublich freundlichen jungen Dame vor Ort, gab es unter anderem auch einen mehrstündigen Wanderweg um den See. Bei blauen Himmel und einem kräftigen Southerly (der von der Antarktis) machte ich mich auf die über 20 km Wegstrecke. Auf dem See bildeten sich Schaumkrönchen, die sich am Strand wie Meeresbrandung brachen.
Geschützt durch den natürlichen Wald folge ich dem Seeufer, immer wieder unterbrochen von Bächen, die nach dem vergangen heftigen Regentag gut gefüllt von den Bergen dem See zustrebten. Dabei bewährten immer wieder aufs Neue meine nun schon mehrfach geklebten Trekkingsandalen. Weit öffnete sich zur Rechten die Wasserflächen mit dem klaren Wasser und in der Ferne leuchtete die Schneeflanke eines Berges. Herz was willst du mehr! Um die Mittagszeit, die Temperatur war schon fast in den angenehmen Bereich gestiegen, erreichte ich das hintere Ende des Sees mit gepflegter Selbstversorgerhütte und drei festen Toilettenhäuschen (keine Poobuckets).
Die flussüberspannende Brücke befand sich noch mehr als fünf Kilometer weiter aber es gab auch die Alternative, den Nassefüssejocker zu setzen.
Abgekocht oder besser gesagt eingeweicht durch die letzten Wochen bei OB erschien mir diese Option als die natürlichste der Welt. Das Wasser meist oberschenkeltief und nur die reißende Strö wollte mich etwas einschüchtern. Auf Wanderstöcke konnte ich auch nicht zugreifen, so heftete ich siegesgewiss meinen Blick gegen die Strömung und bewegte mit in minimaler Geschwindigkeit durch die eiskalten Fluten. Nassen Fußes auf der anderen Seite angekommen, war es auch der richtige Zeitpunkt, die gelungene Querung mit einem kleinen Lunch zu feiern. Auf Infotafel wurde darauf verwiesen das in der Region auch die Kea’s wildlebende Bergpapageien anzutreffen sind. Bei der wunderbaren Wanderung, der traumschönen Landschaft um den See und den See selbst, wäre eine Begegnung mit dieser Spezies das Sahnehäubchen des Tages gewesen. So genoss ich wie auch schon in den vergangenen Tagen in meiner Hütte, den vielstimmigen Chor der Vögel und im Besonderen die Ton- bzw. Gesangsstudien der Tui.
Als kleiner Highlight noch am Rückweg der Whiskey Falls, der enttäuschender Weise entgegen seiner Namensgebung doch nur Wasser führte. Einer von den zahlreichen Zuläufen um den See, die dann später den Wairau River speisen.
















































































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