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Zu den tausend Wasserfällen oder von Haast nach Makaroa

  • drehknoepfle
  • 10. Jan. 2021
  • 5 Min. Lesezeit



Wenn ich sonst schon Mal nach einem passenden Titel für die Geschichte ringe, wären mir für die heutige Reise noch viele Titel eingefallen. Zum Beispiel, der Berg ruft, Fehlstart, unangenehme und schöne Begegnungen, Bergprüfung, Abschied von der Tasman See, usw..


Aber wieder von vorne, das Tagesziel (Makarora) war für heute klar definiert und eine Unterkunft gebucht. Auch Frau Google hatte schon ihren Kommentar abgegeben, um die 80 km und satt über 700 m Steigungen. Das Klang zumindest ein wenig nach Herausforderung! Den Vortag hatte es komplett durchgeregnet, der Himmel heute verhangen aber es war noch nicht mal der sonst leise Nieselregen zu spüren. Neben den Gastgebern des Motels verabschiedete ich mich auch sehr herzlich von Brenda und Paul, zwei Auckländern in meinem Alter, die tatsächlich mit ihren Fahrrädern auf Urlaubsreise in Gegenrichtung waren. Die beiden hatten mich am Vorabend in der Wirtschaft nebenan, an ihren Tisch geladen. Sie sind schon viel in Deutschland und Europa gereist und so hatten wir reichlich Gesprächsstoff. Am meisten beeindruckte mich ein Bild mit 100 Roggensauerteigbroten, die Paul selbst gebacken hat. Nach allen Regeln der (Bäcker)Handwerkskunst im Gärkörbchen gegangen, im Schnittbild mit klassischer unregelmäßiger Struktur und eines schöner als das andere. Die Kiwis verstehen sich darauf, mich immer wieder aufs Neue zu verblüffen.


Das größte Leid der Kiwis auf den Straßen neben den Radfahrern, Split!

Bei milden Temperatur und frei von Feuchtigkeit schwang ich mich, meiner unglaublichen Kondition sicher, auf Rennstahl und dem Haast-Pass entgegen. Vor einer nicht einsehbaren Kuppe überholte mich noch haarscharf und mit highspeed ein Wohnmobil. Zu einer ganz anderen Zeit und in einer anderen Gegend (z. B. Ostpreußen) hätte die Fahrweise nur einen Schluss zugelassen, die Russen kommen. Erfreulicher Weise begann es schon nach ca. 30 min. erneut zu regnen und mein Griff in den Rucksack und nach der roten Regenjacke ging ins Leere. Also wieder in strömendem Regen zurück zur Unterkunft. Dort fiel mir auch wieder ein, dass ich den warmen Janker von Martina gewaschen hatte und damit ich den auch nicht in der Garderobe vergesse, die rote Regenjacke (weil es doch ganz sicherlich regnen würde) daneben gehangen. Als ich dann beim zweiten Anlauf wieder an der uneinsehbaren Kuppe angelangte wollte ich aus Sicherheitsgründen nichts verkehrt machen und nahm mir mehr Raum. Hinter mir hörte ich wildes Hupen aber mein Selbsterhaltungstrieb war dann doch stärker. Nach der Kuppe schloss ein orange lackierter 3,5 Tonnen schwerer Blechhaufen zu mir auf, woraus ich aufs Übelste beschimpft wurde. Es war der Lebensmittelhändler aus Haast, den ich daran gehindert hatte, mir mit Tempo Hundert, über die Kuppe weg den Gummi von meinen Lenkergriffen zu rubbeln. Für einen Arm voll Lebensmittel hatte ich bei im ca. 90 NZD bezahlt und er war mir schon hinter seiner Ladentheke unsympathisch. Rein auf die Wesensmerkmale bezogen würde ich sagen, der Typ mit dem Saloon im Cowboy Paradiese ist sein Bruder. Und ja ich weiß, die Verkehrsleitkegel zucken noch nicht Mal, wenn man ihnen mit hundert Sachen über die Füße fährt.


Und wie schön doch, dass solche Begegnungen in Kiwiland und mit deren Eingeborenen absoluten Seltenheitswert haben. Später traf ich auf einem Rastplatz mit Wasserfall auf Jack und seine Familie. Sehr freundlich und unglaublich wissbegierig fragte der junge Mann mich über meine Reisewege aus, so dass wir das Meeting nicht ohne Abschiedsbild, mit seinen Schwestern Alica und Kiara, beenden konnten.


Auf der heutigen Strecke gab es ausnahmst viele Rastplätze auch zum Übernachten und mit kleinen Wanderwegen zum Beine Vertreten. Letzteres war für mich nicht ganz so wichtig!

Der (teilweise doppelt zurück gelegte) Weg folgte über Stunden und vielen Kilometern dem weitläufigen Haast River. Unterhalb ein unglaublich breites Flussbett, in dem sich zu dieser Zeit der Wasserlauf nur schwer ausmachen ließ. Zu beiden Seiten türmten sich Berge mit zum Teil schroffen Flanken aber auch dichtem Baumbewuchs auf. Dazu Wolkenbänke die Spitzen verdeckend und in die engen Schründe ziehend, ein mystisches Szenario. Dazwischen auch freie Ausblicke auf Kuppen und Spitzen, die durch die Schneefeldern wie mit Zuckerguss bestrichen wirkten. Und Wasserfälle, wirklich unzählbar viele Wasserfälle, manchmal unmittelbar neben der Straße siedelnd. Nach dem Landsborough Valley, wo sich Haast River und Zulauf aus dem v. g. Tal vereinigten, setzten nach einer kurzen Schonfrist die ersten heftigeren Steigungen in Richtung Pass an.


Meine beiden Haupttriebwerke liefen in perfekter Synchronisation und auch die Nebenaggregate machten eine gute Arbeit. Berg ich komme!!! Der Paul aus Auckland meinte noch zur Passstraße, dass ist als ob man vor eine Wand fährt. Ich habe den Streckenabschnitte dann eher wie eine Sprungschanze aber gegen die Flugrichtung wahrgenommen. So musste ich schon nach wenigen hundert Metern das Handtuch werfen und mich dem Berg ergeben.


Der Wasserfall unten links musste hinter Gitter!

Da half nicht der Rest Cidre vom Vorabend, gemischt mit dem Trinkwasser, noch die tasmanische Schokolade mit dem Black Forest Geschmack. Einzig wie ein Ochse sich ins Geschirr zu hängen, bzw. in 45 Grad Winkel gegen die Lenkerstange von Rennstahl zu stemmen, war das Gebot der Stunde. Weiter oben fing die Passstraße wieder an zu schwingen und damit war mir auch Gelegenheit gegeben, zu radeln. Eine der kurzen Pausen gönnte ich mir am Fantail Fall. Dank der Nähe zur Straße, mit vielen Menschen aber leider mit keinen Piwakawake (Fantails) bevölkert. Ich liebe sie trotzdem! Oben auf dem Berg das eindeutige und aussagekräftige Verkehrsschild mit den Einschusslöcher, soll heißen, wir schießen auch auf Fahrräder!


Natürlich habe ich dafür absolutes Verständnis das die Kiwis keine Fahrräder auf den Straßen kennen oder mögen und das sie unheimliche viele und zeitkritische (besonders in der Ferienzeit) Termine haben. Das sie leidenschaftlich gerne Kraftfahren und anders als wir autobahnverwöhnten Deutschen kaum Straßen haben. Das sie deshalb dauernd nur an den Stränden rauf und runter oder durch Parkanalgen fahren müssen oder gar durch schlammige Forstwege.

Bei Wellington der Mangel Straßen so groß ist, dass man mit seinem Allradpickup an den Red-Rocks, den Spaziergängern und (Seals) Seebären sogar über die Füße fahren muss. Allein die Erkenntnis ist in mir bisher noch nicht gereift, sich der vielen und wirklich stichhaltigen Gründe wegen, selbst zu richten.



Vorbei an engen Schluchten und mit weiteren radelbaren Steigungen, erreichte ich den Pass, wo ein Hinweisschild zur halbstündigen Wanderung zum Haast-Lockout einlud. Der vorgerückten Zeit und dem Mangel an klarer Sicht geschuldet, setzt ich meinen Weg durch die wunderschönen Wälder und den auf der anderen Bergseite einsetzenden kräftigen Regen fort.


Nicht erschöpft aber doch froh das Ziel erreicht zu haben, gelangte ich in Makarora in einem Hochtal, am gleichnamigen Fluss gelegen, an. Neben der umgebenden herrlichen Bergwelt, weist der Platz meist touristische Unterkünfte unterschiedlicher Natur auf. Nicht zu vergessen die vor Ort buchbaren Aktivitäten wie Rundflüge mit Helikopter und Sportflugzeug oder Speedbootfahren durch die Canyons. Eine wunderbare Möglichkeit, speziell den Highspeed-Reisenden Kiwis, die herrliche neuseeländische Natur in “beschaulicher Art“ näher zu bringen.



 
 
 

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© 2023 Robert Lehmann. Erstellt mit Wix.com.

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